Passt das zusammen?

BERLIN taz ■ Der Kanzler ernennt die Grüne Künast zur Landwirtschaftsministerin, die SPD erhält von den Grünen das Gesundheitsressort. Ein Politikwechsel?

Kanzler Schröder: Ist das sein Befreiungsschlag?

Die schnelle Entscheidung bringt Bundeskanzler Gerhard Schröder Ruhe. Vorerst wenigstens. „Ich wollte auf gar keinen Fall einen Koalitionskonflikt“, so sein gestriger Kommentar zum BSE-Konflikt. Denn Schröder will, so erklärte er gegenüber der Illustrierten Stern, 2002 mit einer rot-grünen Koalitionsaussage ins Rennen gehen. Zugleich eröffnet der Personalwechsel auch eine inhaltliche Neuausrichtung. Das künftige Landwirtschaftsministerium wird für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zuständig sein: „Und zwar in dieser Reihenfolge“, so der Kanzler. Der gab sich gestern volkstümlich. Das Umdenken in der Landwirtschaftspolitik müsse „an der Theke beginnen“. Artgerechte und umweltschonende Landwirtschaft müsse das Ziel sein.

Für die traditionellen Agrarlobbyisten brechen nun härtere Zeiten an. Behauptet der Kanzler doch: „Der deutsche Bauernverband muss mit der Schmälerung seines Einflusses auf die Landwirtschaftspolitik rechnen.“

Renate Künast: Warum macht sie das?

Erstens wegen des Proporzes. Die Grünen mussten eine Frau ins Kabinett schicken. Zweitens waren Joschka Fischer und Teile der Bundestagsfraktion gegen die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn. Ihr Kurs in Sachen BSE war intern nicht unumstritten. Viel wichtiger jedoch: Joschka Fischer nimmt ihr noch immer übel, dass Höhn während des Kosovo-Krieges die Gegner in der Partei gegen ihn mobilisierte. Höhn stimmte übrigens gestern im Parteirat für Künast.

Für die 44-jährige Juristin erfüllt sich ein lang gehegter Wunsch. Schon zweimal war sie für Höheres im Gespräch, 1998 als Bundesjustizministerin, im Jahr darauf als EU-Kommissarin. Von Landwirtschaft versteht sie genauso viel und wenig wie die Renten- und Sozialexpertin der SPD, Ulla Schmidt, von Gesundheit. Künast selbst sagte gestern, es komme jetzt in ihrem Amt darauf an, „zu organisieren und die politischen Kernpunkte zu sehen“. Das sei „eine echte Aufgabe und Chance“.

Ulla Schmidt: Kann die denn das?

Das wird sich zeigen. Wie übrigens auch bei Renate Künast. Wie ihre (grüne) Vorgängerin Andrea Fischer im Gesundheitsministerium ist auch Ulla Schmidt von Hause aus eigentlich eine Sozial- und Rentenexpertin. Die bisherige Chefin der Arbeitsgruppe Rente in der SPD-Bundestagsfraktion wird sich also in ihr neues Gebiet einarbeiten müssen. Der Bundeskanzler ist auf jeden Fall überzeugt, dass die bisherige Fraktionsvize es kann: „Sie ist dialogfähig, beharrlich und durchsetzungsstark.“ Schließlich übernimmt die 51-jährige Grundschullehrerin, die vor Weihnachten bereits als Nachfolgerin des angeschlagenen Arbeitsministers Walter Riester gehandelt wurde, eines der schwierigsten Ämter. Ihre Hauptaufgaben definierte Schröder gestern sehr allgemein: Sie solle den Risikostrukturausgleich zwischen den ärmeren und reicheren Krankenkassen organisieren und die Gesundheitsreform voranbringen.

SEV/J.K.

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