Leistungssport auf dem Klavier

■ Hilfe! Beim Festival „Auf schwarzen und weißen Tasten“ verausgabte sich das Duo „Genova&Dimitrov“ vollkommen

„Genova&Dimitrov“ klingt wie ein Clown-Duo. Aber die beiden bulgarischen PianistInnen Aklika Genova und Liuben Dimitrov haben ihre Nachnamen zum Titel ihres Klavierduos zusammengebunden und mit Können und Begabung zu einem musikalischen Markenzeichen gemacht. Restlos ausverkauft und bis aufs Podium besetzt war der Sendesaal von Radio Bremen, als die beiden jetzt den zweiten Abend im kleinen Klavierfestival „Auf schwarzen und auf weißen Tasten“ absolvierten. Es ist kein Zufall, dass mir das Wort absolvierten einfällt, denn beide – er mehr als sie – wirkten angestrengt bis genervt ob ihres Auftrittes. Zum Glück verlor sich dieser Eindruck während des fulminanten Spiels, das an explosiver Exaktheit keine Wünsche offen ließ.

Irgendwas hat nicht geklappt mit den Koffern, in denen die Noten waren, und so fiel das wahrscheinlich interessanteste Stück des Abends aus: „En blanc et noir“ von Claude Debussy. Dessen harmlose „Petite Suite“ für Klavier vierhändig war kein gleichwertiger Ersatz. Dimitri Schostakowitschs auch nicht eben tiefschürfendes „Concertino“ op. 94 in seinen neoklassizistischen gehämmerten Rhythmen und die fetzige „Cuban-Ouverture“ von George Gershwin zeigten dann, wo Lust, Kraft und Kompetenz der beiden liegen: in energiegeladener Motorik, auch klangfarblich grellen Effekten mit nicht immer guter Nähe zur Unterhaltungsmusik. Denn die Wiedergabe von Wilhelm Friedemann Bachs Sonate in F-Dur ertrank im kubanischen Überbau und in debussyistischen Klangschleiern. Manchmal setzte sich die Musik gegen ihre verfälschende Interpretation durch.

Für Darius Milhauds geniales und zum Welterfolg gewordenes, allerdings „ohne Lust geschriebenes“ Werk „Scaramouche“ zauberten Genova&Dimitrov allen erforderlichen tänzerischen Schmelz und die lustvoll laute Akkordik. Maurice Ravels eigene Bearbeitung seiner großen Orchesterapotheose „La Valse“ (1920/21) lässt den „phantastischen und schicksalhaft-unabwendbaren Wirbel“, der die Orchesterfassung so faszinierend prägt, eher vermissen. Trotzdem vermag auch dieses Stück gerade in der exzellent genauen, mit großer Kraft gespielten Wiedergabe des Duos in seinem katastrophischen Sog durchaus zu fesseln.

Die beiden verausgabten sich vollkommen, was meine Schlussbemerkung nur noch dringender macht: Könnte es nicht eine etwas sorgfältigere auch verbale Präsentation geben? Wann sind die Stücke entstanden (gilt für alle Werke)? Welche sind Bearbeitungen für welchen Anlass (Gershwin, Ravel, Bach: die Bearbeitung des Konzertes für Klavier und Orchester für zwei Klaviere von Johannes Brahms)?. Wie sind die Inhalte (Scaramouche: eine Figur aus der Commedia dell'Arte, Ravel: Ein kaiserlicher Hof, 1855)? Eine Präsentation in derartiger Nähe zum Niveau von tourenden Tenören und weltbesten Trompetern (auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel), wo nichts anderes als Schneller-höher-weiter gilt, ist nicht nur nicht besonders publikumsfreundlich. Sie degradiert jede Musik als Mittel zum Zweck der technischen Perfektion. Schade. Ute Schalz-Laurenze

Heute um 20 Uhr ist das dritte und letzte Konzert des Festivals zu hören: Gilead Mishory spielt um 20 Uhr im Radio-Bremen-Sendesaal (Bürgermeister-Spitta-Allee 45) Werke von Bach, Haydn, Schubert und Mishory. Der Meisterkurs, den er am Samstag und Sonntag in der Hochschule für Künste hält, ist öffentlich.