schöne welt der lieblingswörter: die burgunderofferte
:

von WIGLAF DROSTE

Ein drogenfreies Leben ist eine falsche Vorstellung vom Leben. Für wen soll es gut sein? Nur puritanische Folterköpfe haben Vergnügen daran, ihre Mitmenschen darben zu sehen. Vor lauter Begeisterung darüber, dass es ihnen selbst besser geht, streichen sie sich wohlgefällig über den Lachs und drehen den anderen die Ventile zu. Das halten Protestanten für Spaß: dabei zusehen, wie andere keinen haben dürfen.

Weil diese Weltsicht ein bisschen in Misskredit geraten ist, macht der Pietist ab und zu auf dufte und gesellig. Dann gönnt er sich, wie das bei ihm heißt, auch mal ein Gläschen – einen besonders guten Tropfen, versteht sich, an dem er dann einen ganzen Abend herumnippt. Auch seinen Gästen schenkt er nicht mehr davon aus – gilt es doch, die besondere Qualität fingerhutweise wahrzunehmen und dabei lippzüngelnd schmackernd seine Kennerschaft auszustellen. Was er Genuss nennt, ist die erstaunliche Fähigkeit, bei jedem Schlückchen daran zu denken, was es gekostet hat. So möchte der Protestant den eigenen Geiz zur höheren Bewusstseinsstufe aufblasen. Und bleibt doch nur ein Geizknopf.

Schönheit dagegen hat das fröhlich Maßlose, Barocke und Bacchantische. Die Bestrebungen, es aus der Welt zu bannen oder es entschieden einzuschränken, mehren sich. Zum hysterischen Gesundheitsterror gesellen sich verantwortungsethisch gespreiztes Gezwacke, ästhetische Brutalnormierung und die aus schierer Geldschneiderei ersonnene, nulleinskleine Glasverneinung. Was soll man mit so einem Reagenzling anfangen? Zum Trinken ist das Pinnchen vollkommen ungeeignet, denn hier ist die Philosophenportion König: Wer den Mut hat, tief in die Welt hineinzusehen, soll zum Ausgleich nicht minder unerschrocken ins Glas schauen.

Damit die Freuden von Exzess und Ekstase ungetrübt bleiben, braucht man einen Drogenhändler, dem man vertrauen kann. Schließlich möchte man nicht irgendeinen Rausch haben, sondern einen himmlischen, und Nachwirkungen, die schlechter Stoff hinterlässt, sind das harte Brot des jugendlichen Anfängers. Mein Lieblingsdealer heißt Bernd Kreis. Auf den Stuttgarter Sommelier, Kleinwinzer und Weinhändler ist uneingeschränkt Verlass. Wer ihm die Auswahl seiner Getränke überlässt, wird nie enttäuscht. Darüber hinaus bringt Kreis jährlich den Ratgeber „500 Weine unter 20 Mark“ (Hallwag 2001) unters Volk – auf dass ohne Privilegiendünkel gezecht werden kann. Sollen doch die zugenähten Knieperlinge ihre teuren Trouvaillen einkellern und sich selbst möglichst gleich mit.

„Damit Beeinflussungen ausgeschlossen werden, wird meine eigene Weinhandlung nicht als Bezugsquelle genannt“, schreibt Kreis im Vorwort des Weinratgebers. Das ist nur fair. Ich aber darf den Laden empfehlen. Und sage: Lassen Sie sich Post schicken von der Weinhandlung Bernd Kreis, Laustr. 38, 70597 Stuttgart (b.kreis@wein-kreis.de). Sie werden belohnt – unter anderem mit einem Frankreichwort, das die alte Ardennenoffensive für immer ablösen möge. Es heißt: Burgunderofferte.