Betonorgie unterm Schirmpinienhain

Die Organisatoren der Olympischen Sommerspiele 2004 in Griechenland wollen für Ruderer und Kanuten ein schützenswertes Feuchtbiotop trockenlegen und lassen sich dabei nicht einmal von der Historie beeindrucken

BRÜSSEL taz ■ Griechenland rüstet sich für die Olympischen Sommerspiele 2004. An geschichtsträchtigem Ort soll 45 Kilometer nordöstlich von Athen das Kanu- und Ruderzentrum der Olympioniken in Schinias/Marathon entstehen. 490 vor Christus kämpften an dieser Stelle die Athener gegen ein persisches Heer, das die Unterwerfung aller griechischen Stadtstaaten erreichen wollte. Der erste Marathonläufer überbrachte in Athen die Nachricht vom Sieg über die persischen Tyrannen.

Heute ist Schinias das letzte verbleibende Küstenfeuchtgebiet auf der attischen Halbinsel. Hier leben 176 Vogelarten und seltene Fische. Setzt das Nationale Olympische Komitee seine Pläne in die Tat um, wird die Oase an der attischen Küste bald nicht wiederzuerkennen sein.

Das Projekt würde einen wichtigen Teil des Schilfufers mit Vogelbrutstätten zerstören. Zwei künstliche Seen von je 2,5 Kilometer Länge sollen entstehen, dazu ein Hafen für Motorboote und zwei mehrstöckige Beobachtungstürme. Zudem sind Restaurants und Schlafplätze für Athleten und Besucher geplant, ein Hubschrauberlandeplatz, große Parkplätze, Tribünen und Stehplätze für 45.000 Zuschauer. Diese Orgie in Beton ist per Präsidentenerlass zum Nationalpark erklärt worden. Umweltschutzorganisationen sind besorgt, dass durch diesen Vorgang die Kategorie „Nationalpark“ insgesamt entwertet werden könnte. Denn im Schinias-Gebiet soll eine unbegrenzte Bautätigkeit ebenso erlaubt sein wie die Insektenbekämpfung per Hubschrauber.

Griechische Umweltorganisationen kämpfen seit zwei Jahren gegen das Projekt. Sie haben drei problematische Sportstätten benannt und für zwei bereits eine Änderung der Pläne erreicht. Von dem Vorhaben in Schinias aber will die griechische Regierung nicht abrücken. „Es ist eine tragische Ironie, dass die Spiele nach über hundert Jahren nach Griechenland zurückkehren und dabei einen so historischen Ort zerstören“, klagte der Chef vom World Wildlife Found (WWF) Griechenland, Demetres Karavellas, gestern in Brüssel.

Der WWF sei nicht gegen die Spiele als solche, betonte Sandra Jen, Beauftragte des WWF für bedrohte Arten und gefährdete Lebensräume in Europa. Sie plädiere aber dafür, bestehende Sportstätten auszubauen, statt neue zu errichten. Auch für Schinias gebe es eine Alternative: Am Yliki-See, nordwestlich von Athen innerhalb der vom IOC vorgeschriebenen 100-Kilometer-Zone gelegen, seien die Bedingungen viel günstiger. Das Gebiet sei bereits durch Autobahn und Eisenbahn ans geplante Olympische Dorf angebunden. Während für die künstlichen Seen von Schinias Trinkwasser aus einem Reservoir abgepumpt werden müsse, sei Wasser am Yliki-See ausreichend vorhanden.

In den nächsten Tagen wird der WWF seine Bedenken der EU-Kommission und den Abgeordneten des Europaparlaments vortragen. Er vertritt die Ansicht, dass Schinias wegen seiner einzigartigen Landschaft auf die Flora-Fauna-Habitat-Liste der EU gehört. Sollte sich die Umweltkommissarin dieser Haltung anschließen, wären die olympischen Projekte an der attischen Küste ein Verstoß gegen EU-Recht. DANIELA WEINGÄRTNER