zwischen den rillen
: Jeff Mills, der Intellektuelle des Techno, vertont Fritz Langs „Metropolis“

Arbeiter und Musiker reichen sich die Hände

Als es losging mit Techno, wurde nicht nur mit Traditionen gebrochen, sondern gleichzeitig ein neues System begründet mit eigenen Regeln und Mythen. Das wurde jedoch erst so richtig klar, als sich Techno samt DJ- und Rave-Culture zu etablieren begann und der Bedarf an einer Geschichtserzählung von Techno zunahm. Themen wie Urbanität, Transhumanität, Zukunft und ganz allgemein das Verhältnis von Mensch und Maschine spielten dabei eine große Rolle.

Mit Jeff Mills’ Vertonung von Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“ erzählt sich diese Geschichte nun als Platte und Kunstwerk von selbst. Natürlich hat Mills, der als einer der ganz großen Techno-Überväter und Intellektuellen gilt, sich nicht an irgendeinem Film vergriffen – sondern an einem Werk, das direkt und indirekt stilprägend für die Ästhetik und das Selbstverständnis von Techno war und immer noch ist.

Und im Aufzeigen von außermusikalischen Zusammenhängen, seien es nun Superheldencomics oder Sciencefictionfilme, konnte man Techno schon immer am besten auf den Grund kommen. Inszenierung und Thematisierung von Technik und Maschinenwelt, die Dynamik des Raums sowie die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Maschine in der Zukunft als Kritik der Gegenwart: Das alles findet sich in „Metropolis“ genauso wieder wie im Detroit-Techno, dessen stilprägender Protagonist Jeff Mills ist.

Die Stadt „Metropolis“, von Fritz Lang einst Manhattan nachempfunden, ist nichts anderes als Detroit – ein Moloch, in dem ein Heer von Arbeitern von wenigen Reichen ausgebeutet wird.

Wenn man berücksichtigt, dass Jeff Mills’ Karriere als Mitglied der legendären Techno-Combo Underground Resistance entscheidend geprägt wurde, wird schnell klar, dass er, genau wie Fritz Lang, die Befreiung des Menschen von der Sklaverei als sozialromantische Utopie begreift.

Nicht die Maschinen dürfen den Menschen beherrschen, sondern umgekehrt – auch wenn sich Jeff Mills und Underground Resistance diesen Akt der Befreiung bestimmt anders vorgestellt haben als Fritz Lang: Im viel gescholtenen Schluss von „Metropolis“ reichen sich schließlich nach dem Aufstand der Arbeiter, der beinahe zur Katastrophe geführt hätte, ein Vertreter der Unterdrückten und Johann Fredersen, der Herr von Metropolis, versöhnlich die Hände.

Auch Underground Resistance verstanden sich einst als Aufständische gegen das repressive Establishment und begriffen Techno im Sinne einer selbst bestimmten Herrschaft über die Produktionsmittel als Waffe. Doch da sollten noch weniger Hände geschüttelt werden.

Zum Jeff Mills von heute passt die Geste der Versöhnung von Klassengegensätzen dagegen durchaus. Inzwischen lebt Mills nämlich bestens vom eigenen Mythos als Undergroundkämpfer, und er will heute eher vermitteln als zerstören. Das zeigt auch die Tatsache, dass Mills’ Soundtrack mit seinem Wechselspiel aus Beatlastigkeit und Flächenförmigkeit zwar durchaus auch als eigenständige Techno-Platte funktioniert, sich vor allem aber eines kanonisierten (Hoch-)Kulturwerks annimmt, wenn nicht sogar daran anbiedert. Was allerdings auch wieder nur folgerichtig ist: Techno ist eben nicht mehr Gegenkultur, sondern eine Kunstform neben vielen anderen. Und Jeff Mills versteht Underground und dessen Etablierung schon lange nicht mehr als Gegensatzpaar.

Ihm geht es über den Umweg Soundtrack am Ende dann doch wieder vor allem um Techno. Bei der Platte liegt die Betonung auf dem Experiment an sich und an der Anknüpfung an das Techno-Prinzip Mythenbildung. Die von Pilot Pictures aus Detroit auf der Basis der Videokassette geschnittene, etwa 50-minütige Filmfassung von „Metropolis“ wird zusammen mit Mills’ Soundtrack demnächst als DVD erscheinen. Geplant ist außerdem eine Clubaufführung während der Berlinale, ansonsten soll sie hauptsächlich als Visuals-Ersatz bei DJ-Sets zum Einsatz kommen.

ANDREAS HARTMANN

Jeff Mills: „Metropolis“ (Tresor/EFA)