Killervirus statt Antibabypille

Australische Forscher wollten mit einem gentechnisch verändertem Virus Schwangerschaften bei Mäusen verhindern – durch Zufall haben sie einen tödlichen Pockenvirus erschaffen. Das Experiment ließe sich in fast jedem Labor der Welt nachahmen

von WOLFGANG LÖHR

Einen Impfstoff, der bei Mäusen die Schwangerschaft verhindert, wollten australische Forscher an der National University in Canberra ursprünglich entwickeln. Von dem Ergebnis wurden jedoch nicht nur die Wissenschaftler überrascht. Für Unruhe sorgte das Ergebnis auch bei Experten für biologische Kriegsführung: Die beiden Wildtierexperten Ron Jackson und Ian Ramshaw verwandelten ein harmloses Mäusevirus mit einem einfachen gentechnischen Trick, der so in fast jedem Genlabor durchführbar ist, in einen für seine Opfer tödlichen Killervirus.

Zu ihrem eigenen Glück arbeiteten die beiden Forscher mit einem Virus, dem Erreger der Mäusepocken, der für Menschen nicht infektiös ist. Auch bei Mäusen verursacht dieser Virus normalerweise nur harmlose Krankheitssymptome. Ganz anders verhielt sich die genmanipulierte Variante: Alle infizierten Mäuse starben innerhalb von neun Tagen. Darüber hinaus, so berichtete das britische Wissenschaftsmagazin New Scientist, machte das Virus auch Schutzimpfungen unwirksam. Trotz Impfung ging ein Drittel der Tiere ging ein.

Dabei hatten die Forscher lediglich ein ebenfalls als nicht gefährlich eingestuftes Gen in den Virus übertragen. Das ursprünglich aus einer Maus isolierte Gen ist verantwortlich für die Produktion eines körpereigenen Botenstoffes, des Interleukin 4. Mit der Übertragung wollten Jackson und Ramshaw erreichen, dass der Anti-Schwangerschaftsvirus bei Mäusen das Immunsystem aktiviert und befruchtete Eizellen vernichtet werden.

Geplant war, den Virus gegen Mäuseplagen einzusetzen. Dazu wird es jetzt nicht mehr kommen, denn statt einer Aktivierung setzen die Viren ein Teil des Immunsystems schachmatt. Die Gentech-Viren konnten sich so ungehindert im Körper vermehren. Den beiden Forschern war sofort klar, dass sie damit eine Möglichkeit geschaffen haben, wie aus einem harmlosem Virus eine tödliche Waffe entwickelt werden kann. Die gleiche Prozedur, ausgeführt mit einem Gen für einen humanen Botenstoff und einem Virus, der auch Menschen infiziert, könnte eine Katastrophe auslösen.

Jackson und Ramshaw informierten unverzüglich das australische Verteidigungsministerium. Nach ausführlichen Beratungen entschlossen sie sich jetzt, ihre Experimente in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen. „Wir möchten damit die Öffentlichkeit warnen, dass diese potenziell gefährliche Technologie verfügbar ist“, sagte Jackson. Und auch die Wissenschaftskollegen müssten gewarnt werden, dass es relativ leicht sei, einen so gefährlichen Organismus herzustellen, fügte Jackson an. Der Bericht soll in der Februarausgabe des Journal of Virology veröffentlicht werden.

Die Chefin der Molekularbiologischen Abteilung der australischen Wissenschaftsorganisation CSIRO hält die Ergebnisse für so brisant, dass sie unverzüglich strengere Maßnahmen im Rahmen der Internationalen Konvention über biologische Waffen forderte. Es müsse verhindert werden, dass diese Technik in falsche Hände gerate und zur Entwicklung von Waffen eingesetzt werde.

Ein Umdenken ist aber auch bei der Sicherheitsphilosophie notwendig. Noch wird davon ausgegangen, dass, wenn man zwei als ungefährlich eingeschätzte Dinge, in diesem Fall den Virus und das Gen, zusammenbringt, nichts Gefährliches entstehen kann. Diese als Additionsmodell bezeichnete Vorstellung wird seit langem von Kritikern in Frage gestellt. Denn welche Effekte letztendlich wirklich durch das Einschleusen von Genen in das Genom eines lebenden Organismus entstehen, ist nicht vorhersagbar. Das kann nur im Experiment ermittelt werden. Und dann kann es schon zu spät sein.