Von jungen Käfern und alten Hasen

■ IT-Ideen gibt es viele, aber Hilfe fehlt: Sichtweisen eines Podiums und eines Mannes aus der Praxis

Wie ein Käfer auf dem Rücken. So sieht Matthias Franz manchen Existenzgründer, der trotz prima Idee für ein prima Produkt nicht auf die Beine kommt, weil die Hilfe am Start fehlt. Matthias Franz weiß, wovon er spricht: Gemeinsam mit drei anderen hat er vor zehn Monaten die Firma Visiomatrix gegründet. Unternehmensziel ist, per Visualisierungsdienstleistungen „den audiovisuellen Genuss im Internet zu steigern.“ Und Gewinn zu machen, klar. Visiomatrix scheint auf dem Weg, aber die Probleme sind Franz noch präsent. Die Schwierigkeit, sagt der Unternehmer, „ist nicht, von der Idee in den Umsatz, sondern in den Gewinn zu kommen.“ Dazu gehört viel. Ein Business-Plan, der überzeugt, Räume, Buchhaltung undundund – „wow, ein Riesenthema“, sagt Franz.

Leute wie ihn will die SPD mit ihrer Reihe „Dialog Mittelstand“ erreichen: Diskussionen mit Fachpublikum zu bestimmten Themenschwerpunkten sollen in konkrete politische Initiativen münden. Denn, findet Eva-Maria Lemke Schulte, wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD und gemeinsam mit dem IT-Unternehmer Andreas Kottisch Initiatorin der Reihe, in Sachen Mittelstandsförderung sei noch einiges zu tun. Die erste Veranstaltung lautete: „(Wie) kann Bremen jungen IT-Firmen bei der Kapitalbeschaffung helfen?“

Hier also trat Matthias Franz ans Mikrofon und konfrontierte das Podium – darunter die Geschäftsführer landeseigener Kapitalgeber – mit den Anfänger–Problemen eines IT-Kreativen. Zuvor hatten die Herren auf dem Podium ihre Institutionen vorgestellt, Tenor: Ja, manches könnte besser sein, aber sooo schlecht ist Bremen nun auch nicht. Ulrich Keller, Geschäftsführer der Bremer Investitions-Gesellschaft (BIG) sprach vom Strukturwandel, den Bremen zu vollziehen habe und wodurch es notwendig dem IT-freundlichen Hamburg unterliege, vom „hierarchischen Selbstverständnis öffentlicher Verwaltung“, das in Widerspruch zur rasant sich wandelnden Internet-Branche steht, schließlich davon, dass die BIG in Sachen IT „ausgesprochen breit aufgestellt“ sei. Zur BIG gehört die BUG, die Bremer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft. Sie soll Firmen in der Gründung auf die Füße helfen, stellt zwischen 250.000 und fünf Millionen Mark als Wagniskapital, hat Beteiligungen an 14 Unternehmen und bekam im vergangenen Jahr 181 Anfragen.

Nur ein Bruchteil davon habe Chancen auf Förderung, erklärte BUG-Chef Rainer Büssenschütt, womit er im Trend aller Risiko-Kapitalgeber liegt. Von 50 Ideen kriegt eine Geld, so Olaf Bruns von der Gesellschaft 3i, ein englisches Unternehmen mit Beteiligungen an derzeit 3.200 Firmen aller Art und Fördersummen ab eine Million Mark aufwärts, „Ende offen“. Bruns' Fazit: In Sachen Wagniskapital befinde sich Bremen „noch in einer sehr frühen Phase“, und wenn die bei 3i eingehenden Anträge zu 60 Prozent aus Hamburg, aber nur drei Prozent aus Bremen kämen, spiegele das nicht die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse wider.

Das Podium bot somit alles: die Anfangsförderung, mit 3i Kapitalgeber für fortgeschrittene Phasen, schließlich mit Thomas Nicolas, dem Geschäftsführer der Bremer Wertpapierbörse, auch gleich noch den Börsengang.

Sehr viel und doch zu wenig, fanden Leute wie Matthias Franz, den das zögerliche Wagniskapital und die niedrigen Förderquoten zwar ärgern, aber nicht verwundern. Denn Hilfe für Menschen mit geldbringenden Ideen muss seiner Meinung nach früher greifen. Unternehmensgründer, zumal in der IT-Branche, seien ja keine erfahrenen Bankmanager, sondern meist frisch studierte Jobanfänger, die eine Idee umsetzen wollen, bevor Microsoft es tut. Franz' Idee: Alte Hasen, die von IT nicht viel verstehen müssen, aber von Unternehmensführung um so mehr, sollten den Neueinsteigern zur Seite stehen und sie fit machen für die Haifischwelt des Geschäftemachens. Aber Manager sind teuer, zu teuer für einen Gründer. Ein Fonds dafür wäre gut, findet Matthias Franz. Er und seine Mit-Gründer hatten Eigenkapital. „Aber das wurde aufgesogen durch die Anmietung eines Büros, durch Unternehmens- und Steuerberater, durch Research.“ Von vielen Banken seien sie „abwertend behandelt worden“, und die Ausarbeitung eines Business-Plans „war ein Krampf“.

Die Fachmänner auf dem Podium reagierten mit Verteidigung. Die von Franz geforderte Hilfen gebe es, sie seien offenbar zu wenig bekannt. „Das klingt wie die typische Internetstory“, räsonniert der Jungunternehmer später, „es gibt alles, aber man findet nichts.“ Und: „Solange Newcomer nicht wissen, in welches Netz sie sich fallen lassen können, nutzt das alles nichts.“

Haben die Visiomatrix-Leute überlegt, ihr Projekt in Hamburg zu starten? „Ganz massiv“, sagt Franz. Die Verbundenheit zu Bremen hat gesiegt. Aber die hat nicht jeder, der eine Idee wahr machen will. sgi