Lehrermangel: Willi hört die Signale

■ Die GEW rechnet vor, wie die Schulen ausbluten / Politiker wollen nachlegen

Bremens Lehrer schlagen Alarm: In den nächsten drei Jahren werden durch Pensionierungen und sonstige Fluktuation jeweils 250 Stellen frei, prognostiziert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Nach bisherigen Planungen sollen davon lediglich 100 Stellen neu besetzt werden. Zum Ende der Legislaturperiode würde das ein Minus von 450 Stellen bedeuten – bei voraussichtlich konstanten Schülerzahlen. In den letzten sieben Jahren wurden laut GEW bereits über 600 Stellen abgebaut.

Mit dem bisher üblichen Mittel – der Erhöhung der Pflichtstundenzahl – dürfte dem Problem daher auch nicht mehr beizukommen sein. Schon heute sind die Bremer Pädagogen mit 25,25 Stunden in der Woche im Bundesvergleich spitze, wie die Gewerkschafter errechnet haben – die Kollegen in Sachsen-Anhalt oder Thüringen müssen demnach drei Stunden weniger vor der Klasse stehen. Laut GEW haben die Lehrer durch Mehrarbeit schon 400 Millionen Mark zur Sanierung beigetragen.

Auch bei Kürzungen sieht die Gewerkschaft keinen Spielraum mehr: Verfügungsstunden zur Förderung von Problemgruppen seien weitgehend für den normalen Unterricht „einkassiert“ worden – „auch unter Willi Lemke“, wie Dieter Heilbronn vom Schul-Personalrat betont. Die ersten Effekte würden schon sichtbar: Immer mehr Schüler schafften keinen Abschluss, auch Verhaltensauffälligkeiten würden häufiger. „Das Problem ist, dass ein Bildungssystem nicht mit lautem Krach zusammenbricht“, sekundiert Insa Gildemeis-ter von der GEW. Stattdessen würde unmerklich immer mehr Krisenmanagement betrieben. „Wenn für eine Klasse keine Vertretung mehr organisiert werden kann, wird sie eben auf die anderen Klassen verteilt, ohne dass das jemand mitkriegt.“

Der Grund für die schleichende Krise an Bremens Schulen ist eine Pensionierungswelle: Bei einem Lehrer-Durchschnittsalter von 53 Jahren gehen in den nächsten fünf Jahren 38 Prozent in Pension, am Alten Gymnasium sind es sogar 45 Prozent. Neubesetzungen sind die Ausnahme: An der Hamburger Straße wurde die erste neue Kollegin nach 23 Jahren freudig begrüßt.

Für die GEW liegt diese verfehlte Politik an einem schiefen Vergleich: Laut Koalitionsvertrag sollte die Lehrer/Schüler-Relation auf den Bundesdurchschnitt zurückgeführt werden. Dabei bleibt aber unbeachtet, dass in Großstädten grundsätzlich ein höherer Betreuungsbedarf vorhanden ist. In den Stadtstaaten Hamburg und Berlin kommen schon jetzt weniger Schüler auf einen Lehrer.

Aus der Politik erfährt die Gewerkschaft Zustimmung: SPD-Bildungsexpertin Ulrike Hövelmann fordert ab dem kommenden Jahr vollen Ausgleich für die 250 neuen Pensionäre, ihr CDU-Gegenüber Klaus Bürger erkennt weniger konkret „Bedarf“ an. Aus dem Bildungsressort heißt es, die Zahlen seien seit Jahren bekannt. Senator Willi Lemke einigte sich mit SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen, dass 100 Neueinstellungen nicht ausreichen. Große Freude bei den Grünen: Sie hatten bereits im November ein Aktionsprogramm gegen Lehrermangel gefordert.

Selbst wenn es dazu kommt: Der Erfolg steht in den Sternen, da die Länder mittlerweile um die Lehrer konkurrieren: Während Hessen mehr Geld bietet und Niedersachsen sofort verbeamtet, beginnt die Karriere in Bremen mit „Zwangs-teilzeit“. jank