Mit eisernem Besen

„Reorganisation“ nach Fusion: CNN muss deutlich kürzer treten und entlässt bis zu 1.000 Mitarbeiter – vor allem aus der Internet-Abteilung

Die größte Krise seit Gründung des Senders – ausgerechnet zum 20. Geburtstag

aus Washington STEFAN SCHAAF

Der US-amerikanische Nachrichtensender CNN hat umfangreiche Stellenkürzungen und eine tiefgreifende Reorganisation des verzweigten News-Imperiums angekündigt. Von den 4.000 CNN-Angestellten, von denen 2.800 in der Zentrale in Atlanta arbeiten, müssen Informationen des Wall Street Journal zufolge 500 bis 1.000 mit ihrer Entlassung rechnen.

Mit Details wird für Anfang der kommenden Woche gerechnet. Der größte Teil der Kürzungen wird die 750 Mitarbeiter des CNN-Internetangebots betreffen. Damit wird der stetige Ausbau der Präsenz von CNN im World Wide Web wahrscheinlich gestoppt – eine Reaktion auf die unerfüllten Hoffnungen des CNN-Managements, mit dem Internetangebot signifikante Werbeeinnahmen zu erwirtschaften. Neben der aktuellen, auf Nachrichten konzentrierten Website cnn.com gibt es derzeit eine Finanz-Seite CNNfn und ein Sportangebot CNNSI. Darüber hinaus wurden Angebote in anderen Sprachen, zuletzt in Japanisch, begonnen.

Den größten Schwierigkeiten sieht sich CNN in seinem Kerngeschäft, dem in den USA über Kabel zugänglichen Nachrichtenkanal, gegenüber. Außerhalb politischer Krisen oder anlässlich sensationeller Ereignisse verfolgen nicht mehr als 300.000 Zuschauer die Sendungen. In den Tagen zwischen der Präsidentschaftswahl im vergangenen November und der Entscheidung des Supreme Courts, die George W. Bush zum Sieger kürte, stieg diese Zahl auf eine knappe Million an, in der Wahlnacht selbst auf 1,4 Millionen. Die Krise um den kubanischen Flüchtling Elián González brachte immerhin eine halbe Million dazu, CNN zuzuschauen. Zwei weitere Nachrichtenkanäle – MSNBC und „Fox News Channel“ – konkurrieren seit einiger Zeit im US-TV-Markt mit CNN und erreichen Zuschauerzahlen von jeweils knapp 200.000.

CNN hat darauf – in den Worten von Newsweek – mit dem „größten Umbruch seit seiner Gründung durch Ted Turner vor 20 Jahren“ reagiert. Der besteht im Wesentlichen darin, sich von reinen Nachrichtenprogrammen ab- und „Personalities“ zuzuwenden.

„Wir bleiben ein Network für hard news“, sagt in CNN-Programmchef Sid Bedingfield. „Aber wir glauben, dass die Leute Leute sehen wollen. Persönlichkeiten und auch Entertainment.“ Die Aktualität wird zukünftig durch die personellen Aushängeschilder von CNN, wie seinen Chefkorrespondenten Wolf Blitzer, präsentiert. Für seinen Programmplatz abends um acht wurde die ausführliche Abendnachrichtensendung geopfert. Zuschauer in Europa betrifft dies nicht, da sie ohnehin die internationale Version von CNN geboten bekommen, die nur in Zeiten politischer Krisen auf die US-Version zurückgreift.

Sie hat weltweit doppelt so viele Zuschauer wie CNN in den USA, doch kaum Werbung. Ihre Sendungen werden trotzdem teilweise alle fünf Minuten unterbrochen und die Pausen dann mit Eigenwerbung angefüllt. Zuschauer in Deutschland wurden so teilweise mehrfach pro Stunde aufgefordert, sich die neue japanische CNN-Website anzuschauen. Auffällig ist, dass in normalen Zeiten CNN international praktisch nicht über die USA berichtet, obwohl reisende Geschäftsleute aus den USA wahrscheinlich einen guten Teil der Zuschauer stellen.

Derlei organisatorische Ungereimtheiten sollen jetzt ausgeräumt werden, in Atlanta steht der eiserne Besen bereit. Dass die Kürzungen nun vor allem Ted Turners Lieblingsprojekt – den Online-Auftritt – treffen werden, kann getrost als Niederlage des Strahlemanns gewertet werden. Dennoch ist Turner wohl noch immer die prominenteste aller CNN-„Personality“.