Affe ist auch Qualle

Erstmals ist die Übertragung eines fremden Gens in einen Primaten geglückt. Der Rhesusaffe ANDi trägt das Gen einer Tiefseequalle in sich

von WOLFGANG LÖHR

Jetzt ist er also da: ANDi, der erste gentechnisch veränderte Affe. Erwartet wurde ja schon seit langem, dass, nachdem viele andere Tierarten – Mäuse, Schweine, Schafe, Ziegen, Kühe – an der Reihe waren, sich die Gentechniker auch dem nächsten Verwandten des Menschen zuwenden und sein Genom verändern.

Die wissenschaftlichen Lorbeeren, als Erster einen transgenen Primaten geschaffen zu haben, kann der US-Wissenschaftler Gerald Schatten vom Primatenforschungszentrum der Oregon-Universität in Portland für sich in Anspruch nehmen.

Wie er und seine Teamkollegen in der gestrigen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin Science berichten, ist ANDi schon am 2. Oktober des vergangenen Jahres auf die Welt gekommen. Nach Schattens Berichten ist ANDi ein robustes Tier, das „ganz normal mit zwei anderen Affen in seiner Behausung spielt“.

ANDi ist wohl erst der Anfang. Ziel des Wissenschaftler ist es, eine ganze Herde mit genmanipulierten Affen zu kreieren.

Die Gentech-Affen sollen dann mit verschiedenen menschlichen Krankheitsgenen ausgestattet sein, um so die Erforschung und Entwicklung von neuen Behandlungsmethoden oder Impfstoffen voranzutreiben. „Wir versuchen“, sagt Schatten, „den wissenschaftlichen Graben zwischen genetisch veränderten Mäusen und dem Menschen zu überwinden.“

Bisher dienten genmanipulierte Mäuse als Modell für die Erforschung menschlicher Krankheiten. Doch die Ergebnisse konnten auf Grund der Andersartigkeit nicht einfach auf den Menschen übertragen werden. Mit ANDi sei es möglich, mit weniger Tieren das Wissen über molekularmedizinische Behandlungsmethoden voranzutreiben, verspricht Schatten.

Gerald Schatten war es im vergangen Jahr auch schon als erstem Wissenschaftler gelungen, einen Affen zu klonen. Er nannte ihn Tetra. „Affen wie ANDi und Tetra erlauben uns, sehr schnell und ohne Risiko herauszufinden, ob neue Therapien sicher und wirksam sind“, sagt er.

In das Affengenom konnte ein zusätzliches Gen eingefügt werden. Die Forscher nutzten dazu einen Retrovirus als Gen-Taxi. Diese Virengruppe, zu der auch der Aidsvirus gehört, integrieren ihre Erbsubstanz in das Genom ihrer Wirtszelle.

Um das Affengenom zu verändern, infizierten die Wissenschaftler eine unbefruchtete Eizelle mit diesen Retroviren, in die zuvor das neue Gen eingebaut wurde. Erst nachdem die Eizelle das neue Gen aufgenommen hatte, wurde sie im Reagenzglas mit Affensperma befruchtet.

Doch noch gibt es nur Versprechungen und Zukunftsträume. Ein medizinischer Durchbruch ist den Forscher mit ANDi nicht gelungen. Das hinzugefügte Gen hat keinerlei medizinische Bedeutung. Es handelt sich dabei um das Gen einer Tiefseequalle, dass ein Protein produziert, dass unter blauem Licht grün fluoresziert.

Erste von Schatten ausgeführte Tests zeigten, dass das Gen in allen untersuchten Körperzellen vorhanden war – der floureszierende Effekt blieb aber aus. Entweder ist das Gen nur schwach aktiv, oder es ist nicht funktionsfähig.

Das einzige, was Schatten vorzeigen könne, bemerkte der Biologe Rudolph Jaenisch vom Massachusetts Institute of Technology in der New York Times, sei, dass man mit Hilfe eines Retrovirus ein Gen in das Genom einer Affeneizelle einschleusen kann. Um aber Tiere mit menschlichen Krankheiten zu entwickeln, genüge das nicht. Dazu müssten die Gene auch aktiv sein.

Auch wenn Schatten sein Ziel nicht ganz erreicht hat, lässt ANDi die Befürchtung laut werden, dass Genforscher entgegen allen Beteuerungen daran arbeiten, einen Weg zu finden, die menschliche Keimbahn zu manipulieren. Es sei zumindest ein „essenzieller Schritt, die Tür zu öffnen für die Genmanipulation von Menschen“, sagte Lori Andrews vom Chicago-Kent College für Recht.

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