Buddy, Buddy! Auf Fischers Spur

Immer dabei, ganz vorneweg, auch bei Fischers Prügelfotos: Das war Buddy H., ein Mann, der sich zur „Putzgruppen“-Zeit in der Szene tummelte

aus Frankfurt HEIDE PLATEN

Eine Fotoserie, bis zum Überdruss veröffentlicht, mit der Lupe begutachtet bis zum letzten Rasterpunkt: Hier haut Bundesaußenminister Joschka Fischer. Der im schwarzen Helm könnte er jedenfalls sein, gerade dabei, im April 1973 nach einer Demonstration im Frankfurter Häuserkampf einen Polizisten zu verprügeln. Fischer erinnert sich an einen Vorfall dieser Art. Der daneben ist wahrscheinlich – zu erkennen an der signifikanten Mundpartie – der Exterrorist Hans-Joachim Klein. Alles offengelegt im Vorfeld von Fischers mit Spannung erwarteteter Zeugenaussage im Prozess gegen Klein am kommenden Dienstag. Ort und Zeit der Prügelszene sind ausgemacht: Frankfurt-Nordend, Luisenplatz, keine 100 Meter von Fischers damaliger Wohnung entfernt. Der goldene Schnappschuss gelang damals dem Fotografen Lutz Kleinhans von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Journalistin Bettina Röhl hat die Fotos wiederentdeckt und dem Stern verkauft – unberechtigterweise. Jetzt hat Kleinhans die Serie für eine weitere Veröffentlichung gesperrt, mindestens bis zum Dienstag, dem Tag der Fischer-Aussage.

Die grauen Turnschuhe

Im Fotoroman ist noch eine andere Geschichte verborgen, mit bloßem Auge leicht zu erkennen: Da kommt ein Mann gerannt, er trägt weite Schlaghosen, graue Turnschuhe, ein krauser Lockenkopf ohne Helm, kommt da von hinten, drängt sich in der Bilderfolge nach vorn, schubst seine Kampfgefährten zur Seite, stürzt sich regelrecht auf den Polizeibeamten. Wer ist der Mann? „hundertpro“ Buddy H., sagen einstige Spontis aus Fischers Szene. Buddy war dort bestens bekannt, überall dabei, immer vorne dran. Bis er eines Tages ebenso unvermittelt wieder verschwand, wie er aufgetaucht war. Was er zurückließ, war eine wirre, seitenlange Aussage bei der Polizei. Darin beschuldigte er zahlreiche Leute ebenso zahlreicher wie abstruser Straftaten.

Wer nun war Buddy H.? Ein Spitzel, sagen die einen. Dann hätte der Fotograf Kleinhans damals nicht nur den künftigen Außenminister bein Prügeln abgelichtet, sondern war gleichzeitig auch Zeitzeuge, als ein V-Mann der Polizei gerade dabei war, einen Polizisten zu verhauen. Ein Spinner, ein rachsüchtiger Wirrkopf, sagen andere. Buddy H. stand seit 1973 in der Szene in Verdacht, Spitzel zu sein. Ganz sicher war man sich nicht. Bei der Roten Hilfe, die damals politische Gefangene betreute, war er nicht gerne gesehen. Dass ausgerechnet Hans-Joachim Klein, der dort ebenfalls mitarbeitete, dazu ausersehen wurde, „ein Auge“ auf den „unsicheren Kandidaten“ zu haben, mag ein Treppenwitz der Geschichte sein. Klein jedenfalls kümmerte sich um den umtriebigen, ewig in Geldnöten steckenden Mann, ließ ihn gegen Bezahlung beim Reparieren von Autos mithelfen. Der war undankbar und behauptete unter anderem wahrheitswidrig, in Kleins Werkstatt seien gestohlene Autos umgespritzt worden.

Buddy H., sagt eine damalige Weggefährtin von Klein, sei „sehr seltsam“ gewesen, sei aufgetaucht „wie von einem anderen Stern“, keine Vita, kein eigenes soziales Umfeld, manchmal sei er verschwunden, keiner wusste, wohin. Buddy hing, sagt ein anderer, „immer so in den Wohngemeinschaften“ herum, auch bei Fischer und seinen Freunden: „Er stellte merkwürdige Fragen, die uns unangenehm waren.“ Klar, dass Buddy sich auch bei der erst später in den Medien so genannten „Putzgruppe“ anbiederte. Auch da mochte ihn keiner so recht, auch da stand er unter Spitzelverdacht. Aber vorverurteilen wollte auch wieder keiner: „Wir waren ja nicht paranoid und hatten eigentlich auch nichts groß zu verbergen.“

Also ließ man den seltsamen Vogel beim Fußball mitspielen, beteiligte sich auch am Basketballspiel, das Buddy organisierte: „Fußball mittelmäßig, Basketball ganz gut. Er war ja ein langer Kerl.“ Man habe damals zwar ein ungutes Gefühl gehabt, aber auch niemanden ausschließen wollen. Bei der Körperertüchtigung der damaligen Genossen im „Revolutionären Kampf“, dem auch Fischer angehörte, war Buddy also dabei. Ob er auch mit in den Wald ging, als geübt wurde, gegen Polizisten zu kämpfen, ist unklar, die Erinnerung verblasst: „Das war nur ein paar Mal.“ Wir hatten nur einen Helm und einen Schild.“ Die bekam einer, der noch kräftiger und größer war als B.: „Der musste den Polizisten spielen und wir Kleinen haben uns vergeblich an ihm abgearbeitet.“

Buddy fiel auf, weil er – auch da gehen die Erinnerungen etwas auseinander – erwischt worden sein soll, wie er eine Wohnung in Abwesenheit der Besitzer durchsuchte. Andere sagen, er habe Geld gestohlen. Danach sei er „verwarnt“ worden. Dann aber sei er ein zweites Mal beim Stehlen ertappt worden und da sei Schluss mit lustig gewesen. Man habe ihn verprügelt: „Ich hatte den Eindruck, dass er danach bei der Polizei vor allem die anschwärzte, die damals dabei waren.“

„Spur 74.4.9.10 Fischer“

Seither verfügte die Polizei über einem Wust von Anschuldigungen gegen „80 bis bis 100 Leute, quasi alle, die er irgendwie gekannt hat“. Dabei war auch die „Spur 74.4.9.10 Fischer“, in der Buddy H. behauptete, in Fischers Auto seien von Hans-Joachim Klein Waffen transportiert worden, die 1981 zur Ermordung des hessischen Wirtschaftsministers Karry benutzt worden seien. Diese Aussage, schon damals von den Ermittlern nicht ganz ernst genommen, tauchte in den letzten 17 Jahren wie ein Kastenteufel immer dann als politische Keule wieder auf, wenn es galt, Fischer und den Grünen am Zeug zu flicken.

Buddy H.s Spur verliert sich im Zwielicht. Einmal wurde berichtet, er sei gesehen worden, wie er seine Bälle fürderhin beim Polizeisportverein warf. Ein anderes Gerücht besagt, er sei als Leiche im Stadtwald gelandet. Leiche im Keller der Ermittlungsbehörden ist er bis heute.