Arbeitssuche im Namen der Rose

HauptschülerInnen aus Billstedt wollen ihren Beitrag zur Entschädigung von ehemaligen NS-ZwangsarbeiterInnen leisten: Sie jobben und spenden ihren Lohn  ■ Von Elke Spanner

Sie sollten das Geld doch besser „hungernden Kindern in Afrika schenken statt alten Leuten, die sowieso nicht mehr lange leben“, wandten Freunde von Dariusz ein, als er ihnen das erste Mal von der „Aktion Rose“ seiner Klasse erzählte: Die SchülerInnen wollen für NS-ZwangsarbeiterInnen arbeiten gehen. Der Einwand entlockt Mitschülerin Sarah erst ein Kopfschütteln, dann einen Appell: „Irgendwo muss man schließlich anfangen“, sagt sie: „Wenn andere meinen, etwas anderes machen zu wollen – auch schön. Wir jedenfalls spenden für Zwangsarbeiter.“

Einen Tag lang wollen die SchülerInnen einer neunten Klasse der Billstedter Hauptschule St. Paulus in Betriebe gehen und ihren Lohn der Stiftungsinitiative „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ überweisen. „In Zeiten, in denen Rechtsextremisten andere bedrohen oder sogar töten, wollen diese jungen Leute etwas für Ältere tun“, erklärt Klassenlehrer Christian Beier stolz. Er findet die Initiative seiner Klasse „toll“.

Auch viele Betriebe, bei denen die SchülerInnen nach Ein-Tages-Jobs nachfragten, waren angetan von deren Engagement. Unterstützen wollten sie die Mädchen und Jungen trotzdem nicht. Mal hieß es, sie seien zu jung, um beispielsweise in einem Restaurant zu bedienen. Ein anderes Mal, die Einarbeitung für nur einen Tag sei zu aufwendig. Seit November bereits sind die Mädchen und Jungs auf der Suche nach Jobs – und nicht einer oder eine von ihnen hat bis heute einen gefunden. „Traurig“ findet das Schülerin Alin. „Dabei ist das so wichtig.“

Das findet im Grunde auch die Hamburger Handelskammer, erzählt Klassenlehrer Beier. Sie wünsche den SchülerInnen viel Erfolg. Mehr aber auch nicht. Jegliche Unterstützung lehnte der Verband der Hamburger Wirtschaft ab: Man dürfe die Unternehmer nicht von außen drängen, einen Beitrag zur ZwangsarbeiterInnen-Entschädigung zu leisten, das müssten sie schon aus eigener Überzeugung heraus tun. Deshalb wird die Handelskammer den SchülerInnen auch nicht, wie erhofft, für ein paar Stunden einen Raum zur Verfügung stellen, in dem sie die „Aktion Rose“ der Öffentlichkeit präsentieren und dadurch Firman für sich gewinnen können. Die Klasse hatte im November auch die Hamburger Wirtschaftsbehörde angeschrieben und über ihre „Aktion Rose“ informiert. Das Amt hat bis heute nicht einmal geantwortet.

Trotz der bisherigen Rückschläge sind die Mädchen und Jungs entschlossen, ihre „Aktion Rose“ zu verwirklichen. Entstanden ist die Idee, als sie im Geschichtsunterricht über den Nationalsozialismus sprachen. Die SchülerInnen lasen Texte über den Holocaust, sahen sich zusammen den Film „Schindlers Liste“ an. Zudem zeigte Lehrer Beier ihnen konkrete Schauplätze der Ausbeutung von Menschen durch das NS-Regime: Er fuhr mit der Klasse in das damalige Konzentrationslager Neuengamme. Ein Ausflug, der die SchülerInnen tief beeindruckte. In Neuengamme erfuhren die Mädchen und Jungen, dass von diesem KZ aus Häftlinge als Arbeitskräfte in ganz Norddeutschland vermittelt wurden und dass es kaum einen Betrieb gab, der nicht davon profitierte. Und je länger sie sich mit dem Nationalsozialismus befassten, umso betroffener waren sie über die nur zögerliche Bereitschaft der Wirtschaft, ihre damaligen Arbeitskräfte heute zumindest etwas zu entschädigen.

„Es würde den Firmen ja wohl nicht wehtun, wenn sie ein biss-chen was spenden würden“, findet Schülerin Sarah. Sie läßt auch das Argument vieler Betriebe nicht gelten, dass sie erst nach Kriegsende gegründet worden seien: Schliesslich hätten die Schülerinnen damals auch noch nicht gelebt – und fühlten sich trotzdem in der Verantwortung, einen Beitrag zur Wiedergutmachung zu leisten. Auch Mitschüler Christian kann nicht nachvollziehen, warum es ein Problem sein soll, den damals Ausgebeuteten heute Geld zur zumindest finanziellen Entschädigung zu zahlen: Wenn in Hamburg jeder Bürger „nur eine Mark dafür geben würde, käme doch schon einiges zusammen.“

Die SchülerInnen überlegen noch, eventuell ein Plakat zu entwerfen, mit dem sie Privatleute dazu auffordern, für die Entschädigung von ZwangsarbeiterInnen zu spenden. Dariusz plant zudem, eine Internetseite einzurichten, auf der er über die „Aktion Rose“ informiert.

Die Mädchen und Jungen sagen, sie würden jeden Job annehmen: Im Verkauf, in der Fabrik, im Büro. „Wir wissen, dass wir auf Firmen angewiesen sind, die unsere Idee teilen“, schreiben die SchülerInnen in ihrem Aufruf. „Doch gerade darauf hoffen wir: Auf Solidarität.“ Dass sie bisher so wenig Unterstützung erfahren haben, so Lehrer Beier, „ist auch eine wichtige Erfahrung“.

Kontakt: Klasse H9, Katholische Schule St. Paulus, Tel. 731 32 62, Fax 732 34 26. Spenden kann man auch direkt auf das Treuhandkonto Christian Beier, Hamburger Sparkasse, Bankleitzahl 200 505 50, Kontonummer 1008 216 374