Leben und Lieben mit zwergenwinzigem Bier

■ Raiko Küster ist neues Ensemble-Mitglied am Bremer Theater und jammerlappt den Helden des federleichten Monologs „Rum & Wodka“ im Brauhauskeller sehr charmant

Unter den jungen Blut-und-Sperma-DramatikerInnen unserer Tage gibt der 29-jährige Dubliner Connor McPherson die liebenswürdige, unaufgeregte Variante dieses theatralen Massenphänomens. In „Rum & Wodka“ lässt er einen 24-jährigen Mann von den wundersamen Ereignissen des letzten Wochenendes dahinplaudern, ein bisschen prahlerisch, ein biss-chen trostheischend und sogar ein bisschen herzausschüttend-ehrlich, so wie es seit dem Paläolithikum ehrenwerter Brauch ist unter Kumpels, zumindest unter den so genannten ,echten'.

Seit er einen Kredit (für ein Haus) aufgenommen hat, glaubt der Held „das Leben habe eine Richtung“. Doch dann zertrümmert er mit einem Firmencomputer das Auto des Personalchefs, aus Versehen, wie es bei chaotisch strukturierten Menschen eben so vorkommt, was als natürliche Folge seine Entlassung mit sich bringt: ein Ereignis, das betrauert und gefeiert werden muss mit einer Reihe von Besäufnissen, die fließend ineinander übergehen und den prolligen Helden nächtens in eine chic-schöne High-Society-Szene verschlagen. Deren Gespräche über IRA, pinkfarbene Pullis, den Jugoslawienkrieg und die Magie des Theaters bestraft er mit der gebührenden standesbewussten Verachtung.

Der Kraftstoff, der ihn wie Treibgut durch Clubs und Kneipen schwemmt, ist aber nicht Entlassung, Libido oder Neugier, sondern der jeweilige Pegelstand des Alkohols in seinem Blut. Es gibt Ebbe, Flut, manchmal sogar Sturmflut, und damit einhergehend semireligiöse Heilssuche in den Armen einer Schönen, kleinbürgerliche Zerknirschung über diesen Seitensprung, Attacken von beruflichem Größenwahnsinn und Macho-Allüren.

McPherson gönnt seinem schwer abgestürzten Protagonisten jede Menge sympathische und sogar sensible oder selbstironische Züge, etwa wenn er an die Glücksmomente denkt, wo er mit Ehefrau Mary plauderte, er in der Badewanne, sie auf dem Pisspott. Oder diesen hier: „Falkener, was für ein Name, die Vorfahren müssen mal Falkner gewesen sein.“ Oder: „Ich sagte ,Ja' – manchmal bin ich nämlich sehr schlagfertig.“ Oder: „Sie stritten sich über Wirtschaft, etwa so: ,Fick dich.' – ,Fick dich doch selber.'“ Nicht zu verachten ist die Slapstick-Einlage – halb Laurel & Hardy, halb Pulp Fiction, wo der Held von Mary im Supermarkt niedergestreckt wird mittels seiner Lieblingskonserve (Tunfisch), hinterrücks in der Gefriertruhe landet und endlich das Pizzasortiment aus nächster Nähe begutachten kann.

Raiko Küster hat die Inszenierung von seinem alten Arbeitsplatz, dem Staatstheater Dresden, quasi als Einstiegsgeschenk nach Bremen mitgebracht. Er ist eine klassische Fehlbesetzung, wie sie in mittelgroßen Ensembles manchmal unvermeidbar ist, und zwar eine Fehlbesetzung der gelungenen Sorte.

Während seines Monologs bewältigt er gerade mal zwei zwergenwinzige Bierflaschen (0,33l), was schon zeigt, dass ihm jegliches Talent zu rüpelhafter Dumpfbackigkeit abgeht. Doch seine querständig-kultivierte, spannungsintensive Erzählweise, die er eher mit Werbegrafiker-Gestik als mit Tresengeflätze untermalt, führt dazu, dass man sich nicht nur schlapplacht, sondern auch gerne nachdenkt über die seltsamen Gefühlssprünge, die unter konturenaufweichendem Alkoholeinsatz zu Tage treten. bk

Nächste „Rum & Wodka“-Aufführung: 31. Januar, 20.30 Uhr, Brauhauskeller. Karten & Infos: Tel.: 365 33 33