kabolzschüsse
: Auf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Ringtennis

Zuerst sah es so aus, als ob die Ringtennis-Arenen restlos leer gefegt und die Außenseiterskala dieser Kolumne endlich gesprengt sei. Am Telefon bestätigte Herr Berger vom Landesturnverband, dass es Anfang der Neunzigerjahre zwar Versuche gab, Ringtennis in Berlin zu etablieren, bis heute allerdings keine Abteilung besteht.

Die Begründung dafür liegt viel zu nahe. Seit dem Turnfest des Deutschen Turner-Bundes (DTB) 1987 kursieren wenig werbewirksame Fotos, die den ansonsten eher schreibtischtätersteifen Eberhard Diepgen bewegungsslapstickend beim Ringtennisspiel im Charlottenburger Eichkamp zeigen.

So scheint Ringtennis bis ans Ende der Diepgen-Ära chancenlos. Selbst die letzte Bastion der Freikörperkultur, in der Ringtennis seit Ende der 20er-Jahre ein bekannter Freizeitspaß ist, warf noch vor dem Jahrtausendwechsel in Berlin den letzten Ring. Hier musste der Ringtennisplatz des Grunewalder FKK-Clubs Helios Berlin sinnbildlich der Trendsportkonkurrenz Beachvolleyball weichen.

„Mehr als den Parkplatz nebenan kann ich Ihnen deshalb nicht bieten“, antwortet der Berliner Detlef Haß, wenn ihn jemand um ein Vorführungsmatch bittet. „Die Jugend geht halt lieber ins Fitness-Studio, so dass es bundesweit nur noch cirka 1.500 Vereinsspieler gibt.“ Detlef Haß reist eigens zum Erstligisten DJK St. Ingbert ins Saarland, um der womöglich einzigen Rückwurfsportart der Welt zu frönen – mal abgesehen von Frisbee. Seit seinem elften Lebensjahr schleudert er den Ring auf dem Badminton-ähnlichen Feld über das 1,50 Meter hohe Netz. „Es fing an, als ich mir als Kind den Arm gebrochen hatte“, erklärt er. „Ich hatte zuvor Faustball gespielt und wollte mit Ringtennis langsam wieder reinkommen. Doch wer einmal Ringtennis spielt, der kommt nicht mehr davon los.“

Sein Objekt der Begierde ist dabei lediglich ein 220 Gramm schwerer Gummiring für 10,90 Mark. Dieser muss in einer durchgehenden Bewegung nach dem Fangen direkt wieder geworfen werden. Mit ausgefeilten Rotationen auf verschiedenen Flugkurven wird versucht, den Gegner aus der Spielfeldmitte zu verdrängen. Ein gezielter, unerreichbarer Wurf in die freie Ecke bringt dann einen Punkt. Klingt einfach, aber für Wissende trotzdem exotisch. Denn der Ursprung des Spiels liegt im Decktennis auf Hochseereisen. Eine Seefahrt war zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts bestimmt auch mal lustig, aber vor allem langwierig. Ohne hohe Ansprüche an Platz und Ausrüstung zu stellen entwickelte sich das Ringschleudern zu einem der beliebtesten, so genannten Deck Games. Von einer Butterfahrt nach New York brachte es schließlich der Karlsruher Bürgermeister Hermann Schneider 1925 vom Dampfer Mauretania in seinen badischen Garten. Bis heute hat sich eher der gepiercte Nasenring als der farbige Gummiring von DTB und FKK-Bewegung durchgesetzt. Damit Berliner in Zukunft nicht meinen, es handele sich bei Ringtennis um Rundlauf auf dem Tennisplatz oder eine Mischung aus griechisch-römischem Rangeln und Serve and Volley, müsste dem Abhilfe geschafft werden. Aber wie? Badminton-Spieler von ihren Feldern vertreiben? FKK supporten? Als Schiffssteward getarnt Deck Games revitalisieren? Diepgen nicht wieder wählen? Am besten ist es wohl, Detlef Haß beim ersten Sonnenstrahl auf den Parkplatz nebenan zu begleiten.

GERD DEMBOWSKI

Auf der Außenseiterskala von 0 bis 12: 11 Punkte