Feinschliff für Wasserratten

Mit einem Konzept zur Förderung der Jugend und dem Selbstbewusstsein der Achtzigerjahre wollen die Amateuer-Wasserballer der WF Spandau 04 in der Champions League erfolgreich sein

von MARKUS VÖLKER

René Grotzki trägt keins. Viele seiner Mannschaftskollegen tragen eins. Grotzki behindert das Suspensorium beim Schwimmen. „Nee, das mag ich nicht“, sagt er. Ein Wagnis, wenn man sich den Kampf im Wasser anschaut. Es wird gezerrt, getreten, getaucht, getunkt. Selbst die zweite Badehose, die jeder tragen muss, schlabbert bei Grotzki locker um die Hüften. Andere zwängen sich in einen eng anliegenden Doppelschutz. Gegen Bayer Uerdingen, die am Samstag in der Schöneberger Schwimmhalle antraten, hätte Spandau alle Vorsicht fahren lassen können. Man gewann 15:3.

Der Gegner reiste nur mit sieben Spielern an, konnte also nicht auswechseln. Am Ende trieben die Krefelder träge wie Bojen im Pool. „Sehr traurig“ sei das für die Bundesliga, meinte Grotzki. Zumal Bayer Uerdingen der aktuelle A-Jugend-Meister ist und Spandau ab der Spielhälfte ebenfalls seine A-Jugendlichen ins Becken schickte. Grotzki gehört zu den Jungen. Er ist 20 Jahre alt, schoss vier Tore. Zufrieden war Grotzki nicht. Zwölf Versuche brauchte er. Zu viel. Viel zu viel für Dynamo Moskau, den ersten Gegner in der Champions League am 27. Januar.

Spandau gehört zu den besten acht Mannschaften Europas. Sie stehen in einer Gruppe mit Neapel, Dubrovnik und Moskau. Moskau würde die niedrige Trefferquote bestrafen. „Wenn wir wieder tausendmal verschießen, kontern die sofort und hauen uns den Kasten zu“, erklärt Grotzki. Auch Trainer Peter Röhle erkannte: „In gewissen Phasen haben wir lustlos gewirkt.“ Noch sucht er nach dem „Feinschliff“, wenngleich die „Jungs auf dem richtigen Weg sind“. Röhle verlangt in jedem Spiel die volle Konzentration von seinen Schützlingen, anders, so sagte er, sei der deutsche Wasserball, der sich noch in einem tiefen Tal befinde, nicht zu retten. „Wir laufen erst in Richtung Sonne. Und erst wenn die Sonne scheint, sind Siege möglich.“

Zuletzt gab es viel Schatten. Das Nationalteam konnte sich nicht für die WM 1998 und Olympia 2000 qualifizieren. Spandau 04 besinnt sich indes seiner Vorbildfunktion. Angesichts der 54 Titel (21-mal Meister; 18-mal Pokalsieger; 15 Europacups) galt es der Stagnation entgegenzuwirken, was durch ein Programm zur Förderung der Jugend gelang. Mit Fabian Schrödter, Andreas Schlotterbeck und Axel Kirsch spielten am Samstag wieder drei 18-Jährige. Nicht nur die erste Männermannschaft soll „Signalwirkung“ für andere Vereine entwickeln, auch mit der A-, B- und C-Jugend will Spandau unter die ersten drei. Hagen Stamm, Präsident von Spandau 04 und seit dieser Saison Bundestrainer, beobachtet „einen langsamen Aufwärtstrend“. Der Aufschwung soll sich aufs Nationalteam übertragen. Mitte Mai findet in Berlin die Qualifikation zur EM statt. Die Deutschen treffen auf Polen, Rumänien und Weißrussland.

Stamm möchte Strukturen schaffen, die international konkurrenzfähigen Wasserballsport dauerhaft etablieren – keine leichte Aufgabe, denn für Spandau 04 spielt kein einziger Profi. Mehr als eine Aufwandsentschädigung ist nicht drin. Dennoch: „Amateure können Profis schlagen.“ Sagt Stamm. In den Achtzigern sei das möglich gewesen. Warum nicht auch heute.

Acht bis neun Mal wird in der Woche trainiert. Für Grotzki ist das nur mit dem Wohlwollen seines Chefs möglich. Der Industriemechaniker bei Borsig bekommt zwei Mal vormittags frei. Demnächst hat er mehr Zeit. Als Sport-Zivi wird er von einer Klinik angestellt, muss dort aber nur an zwei Tagen Dienst leisten. Stamm kann er nur beipflichten. Klar, Amateure können Profis schlagen. „Wie im Fußball.“ Fußball? „Na, im Pokal halt.“