künasts chance
: Öko ist preiswert

Die Bauern sind`s mal wieder nicht gewesen: Die Regierung, die Tierfutterindustrie, die EU, der Weltmarkt sind schuld an der Seuche in ihren Ställen – und sollen jetzt gefälligst für den Schaden aufkommen. Das ist schon toll: Eine Bande, die gepanschtes Heroin verkauft, an dem die Kunden reihenweise krepieren, könnte ähnlich argumentieren. Ihr Familienbetrieb war auch nur ein kleines Rädchen, und die großen Bosse haben immer versichert, dass der Stoff sauber sei.

Was das Passions-Genre „Lerne klagen, ohne zu leiden“ betrifft, war die Landwirtschaftslobby schon immer führend, daran hat sich von den Bauernaufständen bis ins Zeitalter der Agrarkonzerne und großindustriellen Lebensmittelproduktion wenig geändert – ein paar saubere Vorzeigekleinbauern, die vom Ruin bedroht sind, bringt die Lobby immer auf die Straße. Und wer wollte solch armen Schweinen eine Rinderprämie für die Notschlachtung verweigern?

Kommentarvon MATHIAS BRÖCKERS

Die neue Landwirtschaftsministerin Renate Künast ist um das anschwellende Bauerntheater nicht zu beneiden – aber dagegen helfen ein paar harte Fakten. Fakten, wie sie eine große Studie der Universität Essex über die externen Kosten der konventionellen Landwirtschaft bietet: Über 300 Euro pro Hektar kostet diese, also mehr als doppelt so viel wie bisher angenommen. Die als „sehr konservativ“ bezeichnete Berechnung summiert alle Kosten, die Luftverschmutzung, Wasserverunreinigung, Bodenerosion und andere Nebenwirkungen der Landwirtschaft verursachen, und macht die ökonomische Bilanz der Agrarindustrie noch hinfälliger als bisher. „Billig“ sind ihre Produkte nur, weil man die Schadensbeseitigung der Allgemeinheit überlässt: Für die Entfernung der Pestizide aus dem Wasser zahlen die Wasserwerke, für zerstörte Böden die Naturschutzbehörden, für Gesundheitsschäden durch verschmutzte Luft oder BSE die Krankenkassen.

Die Preise für konventionelles Gemüse, Fleisch und Obst im Supermarkt sind nicht realistisch und müssten mindestens doppelt so hoch liegen, oder andersherum: Bioprodukte sind, volkswirtschaftlich betrachtet, schon jetzt billiger. Nie war es leichter, den Konsumenten diese Rechnung einzutrichtern, als in Zeiten von BSE. Die grüne Renate hat nun die besten Karten, zur Jeanne d’Arc des Ökolandbaus zu werden. Die drohende „Operation Tränendrüse in Seppelhosen“ mit Steuerentlastungen für Bioprodukte zu kontern wäre da das perfekte Vorspiel.

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