Trainingslager Call Center

■ Die Oldenburger Rockband soulmate avanciert zum Geheimtipp in der Region. Nach einer erfolgreichen Tour durch die Republik ist hierzulande inzwischen auch der Musiksender Viva ist auf das Quintett aufmerksam geworden

Es gibt Ohrwürmer, die treiben einen in den Wahnsinn. Privatwellen-Penetrationen in der Regel. Auf der anderen Seite gibt es diese belanglosen Momente, in denen sich Textzeilen einnisten, aus denen die Verzweiflung spricht. Und plötzlich hat man mehr drive und wird richtig euphorisch. Das alte Gitarrenmärchen halt, bekanntes Phänomen, oder?

Dem Produzenten und superrock.rec-Labelchef Klaus Fabian alias Fabsi muss es ähnlich ergangen sein. Ort: Pier 2, Spätsommer im Jahre zwei vor Zweitausend. Fabsi sitzt in der Jury des Nachwuchswettbewerbes „live in Bremen“. Keine der sechs Bands rocken das Haus so wie „soulmate“. Zumindest für Oldenburg-Kundige keine Überraschung. Immerhin sind soulmate da nämlich so was wie eine lokale Größe, wie die immer wiederkehrenden Fans auf ihren unzähligen Konzerten im Umkreis belegen.

Sie gewinnen bei „live in Bremen“ den ersten Preis, was 200 Blaue für neue Musikaufnahmen bedeutet. Nach einigen Irrwegen durch den Jungle der Studioangebote finden sich die fünf Jungs pleite und mit einer überproduzierten CD wieder. Zu glatt, zu viele Schnörkel für soulmate-Mucke – klarer Fall von Fehlgriff. Drei Monate später, nach einem Konzert im Römer, steht Fabsi in rotschwarzer Fellbekleidung vor der Band. „Sauhässlich die Hose“, denkt Jan Spading, Gitarrist und Entertainer. „Soulmate bei superrock.rec unter Vertrag?“, denkt hingegen Fabsi. Dieser Abend sollte als Meilenstein in die soulmate-Geschichte eingehen. Unter legendärem Alkeinfluss – nicht vergessen, wir befinden uns im music biz – feiern beide ihre gemeinsame Zukunft.

Bislang machte sich das Weser-Label unter Herrn Fabian einen Namen mit Deutsch-Punk-Geschichten. Was früher zu gitarrenlastigem Independent gezählt wurde, bekommt heute das Etikett „Emocore“, oder so ähnlich. Das sublabel mit dem bescheidenen und vor allem wirklich rhythmischen Namen superrock.rec – sagen Sie den Namen zwei Mal auf und Sie haben ein neues Lied – verschreibt sich jedenfalls dem Emocore. Im Zusammenhang mit soulmate taucht auch der an Pickel und Schuleschwänzen erinnernde Begriff „college rock“ häufig auf.

Sommer Zweitausend: soulmate bringen bei Fabsi ihr neues Album in kräftigem Rot heraus: „in summerstreets“. Die Musik für den USA-Urlaub mit Leihwagen hat mit nach stickigen Garagenproben klingendem Hardcore-Alben vergangener Tage nichts mehr zu tun. Das Konzept: Schmutzige Gitarren kontrastieren melancholisch sentimentale Melodien. Ihr Markenzeichen: Zweistimmiger Gesang. Die Stimme des Backroundsängers und Bassisten Christian Luetje hat es sogar zum Call Agent in einem Call Center geschafft, was ja zweifelsohne für die Qualität des Gesangs spricht. Die Visitenkarte der Band aber ist Peters Melchers Stimme: „Herausragend und einmalig“ lobpreist das Internet Fanzine Partyplan.purepace.de. Vom „latenten Druck auf die Traenendrüse“ ist dagegen die Musikzeitschrift Visions genervt und sieht keinen Grund, die CD zu empfehlen. Macht ja nix.

Diesen Sommer tourten soulmate erstmalig durch die Republik. Zehn Städte von Berlin bis München standen auf dem Programm mit US-Vorbild „jimmy eat world“ und Richtungsverwandten wie „echo-phonics“ und „silk“. „Nette Klassenfahrt“, resümiert Jan Spading. Während andere Altersgenossen ihre Ferien sonnenbadend auf Ibiza verbringen, versichern alle Beteiligten von soulmate, dass sie sofort wieder auf Tour gehen würden – trotz der Aussicht auf unbequeme Isomatten, Fast Food und den entnervenden Bus-Ein-und- Ausräum-Aktionen jeden Abend. Schon erstaunlich, zumal sich während der Tour nicht einmal der kategorische Imperativ des Rocks „Du sollst Sex, Drugs an Rock'n'Roll haben“ als wirklichkeitskonstituierend erwies: Weitaus häufiger als „Feiern mit den Stars“ hieß es nämlich „Stau auf der Autobahn“.

Soulmates Erfolg hat das nicht stoppen können. Inzwischen gibt es sogar einen Videoclip! In kleinen Bildern, die über den Bildschirm ziehen, cruist Peter in einem 62 Ford Taunus durch Hamburg und holt seine Kumpanen ab. Ganz nett. Gespräche mit Viva 2 laufen. Es sieht also schwer so aus, dass die Oldenburger sich ihre Stars bald mit dem Rest der Republik teilen müssen. Mona Motakef

Kontakt: Tel.: 0175/28 39 925; soulmate§black.de