Viel Aufwand – wenig Erfolg?

■ Die Telefonüberwachung durch die Polizei könnte in Bremen Tausende unbescholtene BürgerInnen betreffen. Zahlen und Erfolg kennt aber niemand, wie der Senat jetzt mitteilt.

In puncto Telefonüberwachung wird Bremens Polizei Jahr für Jahr aktiver. Das ergibt die Antwort des Bremer Senats auf eine kleine Anfrage der Grünen zum „Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes durch die Polizei“. Ingesamt allerdings bleiben die offiziellen Auskünfte dürftig: Wie viele Personen von derartigen Überwachungsmaßnahmen betroffen sind – und wie viele harmlose Unbeteiligte dabei belauscht wurden –, kann niemand sagen, weil nur überwachte Anschlüsse gezählt werden. Ebenso wenig, wie viel das – staatsanwaltschaftlich beantragte und richterlich abgesegnete Überwachen – gekostet hat. Abgeordneten im Datenschutzausschuss ist sogar schleierhaft, nach welchen Richtlinien das Ganze behördenintern abläuft.

So erkundigte sich beispielsweise der Bremerhavener CDU-Abgeordnete Ralf Bergen im Datenschutzausschuss vom November besorgt, ob im sensiblen Bereich der Telefonüberwachung möglicherweise „in einem rechtlichen Vakuum“ gearbeitet worden sei? Zweifel, die der Vertreter des Innenressorts nicht ganz zerstreuen konnte. Die SPD-Abgeordnete Gisela Schwarz jedenfalls setzte nach, dass der Datenschutz bei der Telefonüberwachung wohl nicht ernst genommen würde. Aus ihrer Sicht entstehe doch ein „inhaltliches Vakuum“, wenn – wie derzeit in Bremen – Verfahrensrichtlinien den technischen Neuerungen nicht entsprechen. Genau das kritisiert der Landesdatenschutzbeauftragte. Seit Jahren mahnt er die Innenbehörde an, die hoffnungslos veralteten „Richtlinien für das taktische Vorgehen anlässlich einer Überwachung des Fernmeldeverkehrs vom 1. Juli 1990“ zu überarbeiten.

Doch erst nach dem Umzug in das neue Polizeipräsidium in der Vahr, als die alte analoge Technik durch digitale ersetzt wurde, kam Bewegung in die Sache. Immerhin gibt es nun einen Entwurf für die Verordnung, die das behördeninterne Verfahren im Detail regeln soll. Bis Sommer könnte das datenschutztechnisch glatt gezogen sein. Allerdings will Bremens Datenschützer zugleich einen zwischen Justiz- und Innenbehörde bereits ausgehandelten Erlass zur Telefonüberwachung überprüfen. Der verhältnismäßig dünne Erlass und die Verfahrensrichtlinie seien „ein Paket“. Beides müsse aufeinander und mit dem Datenschutz abgestimmt sein.

Bremer RichterInnen und StaatsanwältInnen brauchen solche Verfahren nicht abzuwarten. Sie orientieren sich an der Strafprozess-ordnung (§§100a und b), die die Telefonüberwachung beispielsweise bei Hoch- oder Landesverrat, bei Mord, Geldwäsche, Menschenhandel oder BTM-Delikten zulässt – ebenso wie bei Verstößen gegen das Vereinsgesetz; oft angewendet gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Nach richterlicher Zustimmung wurden im Jahr 1999 im Rahmen von 15 Ermittlungsverfahren 161 Telefonanschlüsse im Land Bremen überwacht; ein Drittel davon im Zuge von Ermittlungen gegen Mörder, Menschenhändler und Geldfälscher; insgesamt 40 in Bremerhaven. Bis August vergangenen Jahres waren landesweit schon 132 Abhörmaßnahmen bewilligt. „Hochgerechnet ergibt das eine Steigerungsrate beim Abhören um fast ein Viertel – allein fürs vergangene Jahr 2000“, rechnet der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Matthias Güldner vor.

Bremen liegt damit voll im Bundestrend. Bereits von 1998 auf 1999 stellte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz eine Steigerung um rund 29 Prozent in einem Jahr fest. 12.600 richterlich angeordnete Lauschaktionen waren es 1999 gewesen, sechs Jahre zuvor erst 3.964.

Mit welchem Erfolg allerdings die technische Aufrüstung und der Einbruch in die geschützte Privatsphäre Unbeteiligter stattfindet, ist bundesweit wie auch in Bremen ungeklärt. Insider wissen, dass schon eine überwachte Telefonzelle jährlich bis zu 20.000 Telefonate ins Fahndungsnetz spülen kann. Allenfalls ein minimaler Bruchteil davon dient der Verbrechensaufklärung – wie Bremens Polizisten schon selbst erlebten, als sie plötzlich die Ehefrauen von Kollegen beim privaten Plausch über Eheprobleme zu hören bekamen. Wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz würde deshalb auch der Bremer Landesdatenschützer, Sven Holst, eine bundesweite Regelung über eine Berichtspflicht an das Parlament begrüßen. Es sei an der Zeit, die Erfolge und Misserfolge solcher Maßnahmen gründlich zu betrachten, zumal der Abhörkatalog in den letzten 30 Jahren um 20 neue Straftatbestände erweitert wurde.

ede