Die Besten auf dem Weg nach Bagdad

And the beat goes on: Charles Plymell widmet seinen Gedichtband „Liebesgesänge“ dem Leben der Generation X

„I am a drifter“, sagte einmal Charles Plymell, ein Spätgeborener der Beat Generation. Tatsächlich kam der 1935 in Holcomb, Kansas, geborene Plymell als Verleger, Herausgeber und Beiträger diverser Underground-Publikationen, als Handwerker, Collagist und Dichter weit herum, auch wenn er nie so berühmt werden sollte wie seine älteren Freunde Neal Cassady und Allen Ginsberg, die er beide auf ausgedehnte Autotouren begleitete.

Nun liegt auf Deutsch eine Gedichtauswahl aus den Neunzigerjahren vor, die er unter dem Titel „Liebesgesänge“ sowohl der Beat Generation als auch der Generation X gewidmet hat: als „Brückenschlag über die Kluft zwischen den Generationen – in der Hoffnung, jene zu inspirieren, die neu auf der Bildfläche erscheinen und den Versuch wagen, die Welt zu retten“.

Plymells typische Mischung aus Pathos, Pragmatismus und Humor prägt diese Texte, ebenso jener Mystizismus, mit dem er gerne seine Zivilisationskritik flankiert: „Städte des Altertums, ausradiert / endlose Marschkolonnen junger Rekruten / aus Bagdad, von der Erde getilgt / in Videospielen – / von Geburt an erfreuen sich Kids / neuer morphischer Resonanzen / die unser Bewusstsein gebildet hat // um die alte Macht zu schützen.“

Der Dichter fängt im schmalen Textraum nicht nur die Ästhetik der Generation X ein, sondern auch ihre Befindlichkeit: „In kurzen Hosen, die bis runter auf die Knöchel reichen / das Schild der Baseballkappe in den Nacken gedreht / stehn sie da, scharren mit den Fußspitzen im Staub, warten.“ Worauf jedoch gewartet wird, lässt Plymell offen, wie er denn im beendeten Millennium, dem Zeitalter der „Apostasie“, der Lossagung von religiösen, politischen und ideologischen Identifikationsmustern, keinen Untergang sieht, sondern „einen enormen historischen Umbruch“; dessen Gefährlichkeit indes machen diese Gedichte bewusst. FLORIAN VETSCH

Charles Plymell: „Liebesgesänge. Psalme in den Zeiten der Apostasie“. Aus dem Amerikanischen von Walter Hartmann. Verlag Peter Engstler, Ostheim/Rhön 2000, 40 Seiten, 10 DM