Abgeschmetterte Hoffnungsträger

Die Volleyballer des SC Charlottenburg scheinen sich im Scharnier zu hoher Ansprüche des Verbands und konsequenter Jugendförderung aufzureiben. Beim heutigen Spiel in der Champions League gegen Gesu Rom sollen Wunden gesalbt werden

von MARKUS VÖLKER

Man tut sicher nichts Falsches, Werner Graf von Moltke einen Visionär zu heißen. Der Präsident des Deutschen Volleyballverbands (DVV) träumt von Typen: Michael Schumacher, Dirk Nowitzki oder Stefan Kretzschmar. Die brennen sich im Gedächtnis der Leute ein, sagt Moltke. Solche müssten her. Leider hat der deutsche Volleyball keine markigen Sportler vorzuweisen. Früher gab’s den Georg Groszer. „Aber das ist 100 Jahre her.“

Die Motivation von Visionären ist vielschichtig: Außergewöhnliches bewegen, anderen etwas beweisen oder die eigene Angst bezwingen. Denkt Moltke also an die Zukunft, wird ihm bang. 2003 findet die EM der Männer in Deutschland statt und die Endrunde in Berlin. Bis dahin will „die absolute Spitze“ erreicht sein, sollen deutsche Spieler „ganz oben“ stehen. Denkt von Moltke aber momentan an Spitzenvolleyball in Deutschland, „dann gibt es Probleme“.

In der Hauptstadt spielt der SC Charlottenburg, der von Moltkes Hoffnungen trägt – oder muss es korrekt heißen: trug? Fakt ist: Dieses Jahr spielt der SCC zum ersten Mal in der Champions League. Heute Abend wollen die Berliner gegen Gesu Rom gewinnen, damit dem DVV der zweite Startplatz in der Eliteliga erhalten bleibt. Ein Weiterkommen haben sie zuvor schon verspielt.

Seit Jahren betreibt der Verein erfolgreiche Jugendarbeit. Nach dem Mauerfall floss eine halbe Million Mark in den Nachwuchs. Die Sichtung beginnt schon in der E-Jugend. Nur deutsche Spieler sollten auf dem Parkett stehen. So war es geplant, so ließ es sich lange Zeit realisieren.

Dieses Engagement wollte von Moltke mit der entsprechenden finanziellen Zuwendung adeln. Er akquirierte die Fluglinie Germania als Sponsor, die in zwei Jahren 500.000 Mark überwies. Doch zu Saisonbeginn sprang der Sponsor ohne Begründung ab. SCC-Manager Kaweh Niroomand fiel damals fast vom Stuhl, erinnert er sich. Noch immer ist das Budget nicht gedeckt.

Überdies kommt durch die Champions League kaum Geld auf das Vereinskonto. Im Gegenteil: Startgebühr und Kosten für Unterkunft sorgen für Probleme. Niroomand rutscht nervös auf seinem Stuhl herum, wenn er die aktuelle Situation seines Vereins umschreiben soll. Die Champions League bringe Popularität, aber das Debakel um den Sponsor habe gezeigt, dass Volleyball in Berlin, vor allem eine langfristig erfolgreiche Jugendarbeit, zum Scheitern verurteilt ist: „Die Konsequenz wäre zu sagen: Wir machen zu.“ Dafür sei er aber zu abgehärtet. Bleiben zwei Alternativen. Entweder der SCC dümple im Mittelmaß, oder man schaffe den „Durchbruch“. Der sei jedoch wenig wahrscheinlich, bedenke er die „unergründliche Psychologie der Geldgeber“. Beim Wort „dahindümpeln“ wird von Moltke äußerst energisch und stellt die Frage: „Wollen wir Leistungssport mit Schwitzen und Schweiß oder nur eine fröhliche Breitensportveranstaltung?“

In Berlin wiesen die Zeichen auf zunehmende Mediokrität. Topspieler Stefan Hübner verließ den Verein Richtung Italien. Björn Andre ging nach Friedrichshafen, nachdem er frustriert feststellen musste, dass er vom kanadischen SCC-Trainer Brian Watson „vom Spieler zum Sitzer“ degradiert worden war. „Watson ist in der Tat vorsichtig gewesen, Jugendliche einzusetzen“, meint Niroomand. Die Fluglinie folgte also den hohen Ansprüchen von Moltkes und entschied sich abzuspringen. „Wenn jemand nur 70 Prozent bringen will und nicht 90 oder 100, dann ist das Mist“, sagt von Moltke.

Das Jugendkonzept will der SCC weiterführen, schließlich sei es nicht das vom DVV, sondern „unsres“, versichert Niroomand. Kein anderer Verein in Deutschland betreibe so gute Nachwuchsförderung. Dennoch überlegt der SCC, demnächst noch zwei Ausländer zu holen. Und neidisch auf die Basketballer von Alba Berlin blickt man sowieso. „Um da rauszukommen, bräuchten wir sowas Langfristiges wie die.“ Sagt Niroomand und scheint keine Vision zu haben.

Spielbeginn: 19 Uhr, Sporthalle Charlottenburg, Sömmeringstraße, Nähe U-Bahnhof Richard-Wagner-Platz