Nachama tritt wieder an

Entgegen ursprünglichen Plänen will der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde erneut für das Amt kandidieren. In der Gemeinde wird die Entscheidung mit Respekt, aber auch Skepsis aufgenommen

von PHILIPP GESSLER

Am Ende war es fast eine spontane Entscheidung – und eine, die ihn selbst überrascht hat, wie Andreas Nachama zugibt: Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde steht nun doch für eine zweite Amtszeit von vier Jahren zur Verfügung. Dabei hatte der 49-Jährige, der das Amt seit 1997 innehat, dies schon im Frühjahr vergangenen Jahres abgelehnt und diese Entscheidung seitdem immer wieder bekräftigt. Als er jedoch vergangene Woche vor der geschändeten Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in Potsdam stand, so berichtet er der taz, habe er dem Drängen von Freunden nachgegeben, „die Gemeinde nicht inm Stich zu lassen“.

Am 18. März wird sich Nachama nun mit dem Verbund „Jüdische Einheit“ den Wahlen zum Gemeindeparlament, der Repräsentantenversammlung, stellen. Das 21-köpfige Gremium wird aus seinen Reihen einen Vorstand wählen, der wiederum den Vorsitzenden der Gemeinde bestimmt. Bisher hatte nur Moische Waks, Nachamas Stellvertreter, seine Kandidatur erklärt. Schon seit dem Sommer hatte Nachama versucht, ihm geeignet scheinende Personen zu einer Kandidatur zu überzeugen. Auch weil ihm dies nicht gelang, so räumt Nachama ein, hat er sich zu einer erneuten Kandidatur durchgerungen.

Nach Angaben Nachamas sei er von mehreren Gemeindemitgliedern und von Politikern der Landes- und Bundesebene zu diesem Schritt schon längere Zeit aufgefordert worden. In der Gemeinde gilt Waks zwar als intelligenter und integrer Mann. Gleichwohl wird von nicht wenigen bezweifelt, dass Waks ähnlich gut wie Nachama die Gemeinde nach außen repräsentieren und sich auch in die öffentliche Debatte der Bundes- und Landespolitik einmischen könne. Auf diesem Feld hatte Nachama als Vorsitzender der mit etwa 12.000 Mitgliedern größten jüdischen Gemeinde der Bundesrepublik eine oft nicht unbedeutende Wirkung. So war der Historiker beispielsweise einer der Hauptinitiatoren der großen Anti-Rassismus-Demonstration am 9. November 2000. Nachama will nach eigenen Angaben zunächst nicht zur „Topographie des Terrors“ zurückkehren, deren Geschäftsführer er bis zum Amtsantritt gewesen war. Zugleich wies er Gerüchte zurück, er wolle nicht die ganzen vier Jahre das Amt des Gemeindevorsitzenden wahrnehmen. Auch das Amt des liberalen Gemeinderabbiners strebe er nicht an, betonte Nachama.

In der Gemeinde wurde Nachamas erneute Bewerbung um den Gemeindevorsitz mit Respekt, aber auch Skepsis aufgenommen. Walter Rothschild, bis Ende vergangenen Jahres als liberaler Rabbiner bei der Gemeinde angestellt und auf Nachamas Druck hin vor allem wegen persönlicher Differenzen entlassen, würdigte Nachama als einen Mann mit „viel Erfahrung“. Rothschild ist einer der führenden Köpfe der Gruppe „Jüdisches Leben“, die für die Wahlen antritt und sich vor allem eine religiöse Erneuerung der Gemeinde auf die Fahnen geschrieben hat.

Cynthia Kain, Sozialdezernentin der Gemeinde, betonte, sie sehe in Nachama „die Zukunft des liberalen Judentums“ und würde es eher begrüßen, wenn er sich als liberaler Gemeinderabbiner zur Verfügung stellen würde. Kain ist Mitglied des „Jüdischen Forums“, in dem viele Mitglieder des bisherigen Gemeindevorstands vereint sind.

Einer von ihnen, Baudezernent Heinz Rothholz, zeigte sich entttäuscht, dass sich Nachama nicht zu ihrer Vereinigung gesellt habe, zu der auch Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung gehört. Zwar sind für die Wahl keine Listen vorgesehen, dennoch haben sich mit dem „Forum“, „Leben“ und „Einheit“ Quasi-Wahllisten gebildet.