Predigten, Kerzenschein und eine treue Gefolgschaft

■ Mit Red Sky Coven und Nozzle ist der Nachlass von „New Model Army“ in Hamburg zu Gast

Dass fast jeder Musiker früher oder später mit mehr als einer Band beschäftigt ist, freut so manchen eingefleischten Fan. Schließlich besänftigt dieser Umstand beklemmende Gefühle, dass eines Tages wirklich mal Schluss sein muss. So dürfen am Samstag alle, bei denen bereits latent herrschende Nostalgie ob des endgültigen Endes ihrer Jugend an New Model Army gekoppelt ist, vorerst aufatmen. Frontmann Justin Sullivan, Bassist Brett Selby, der Barde Rev Hammer und Lyrikerin Joolz bereisen nämlich nach wie vor alias Red Sky Coven in zuverlässiger Regelmäßigkeit die Lande.

Und gleichermaßen gilt: Alles wird sein wie immer. Wer die Performance kennt, wird sich schon beim Lechzen nach der familiär-intimen Atmosphäre ertappen, bei der für jeden ein wenig abfällt vom Respekt der freundschaftlich im Kerzenschein beisammensitzenden Akteure füreinander. Joolz wird die Neulinge der bestuhlten Veranstaltung darüber informieren, dass „the whole show will be entirely in english“. Zum Rausgehen ist es dann längst zu spät.

Wenn man sich eingehört hat, neigt sich Rev Hammers erster Kalauer vielleicht schon dem Ende. Was nicht weiter tragisch ist, weil Witzeerzählen sowieso nervt. Wenn er dann aber losschmettert, wie sich das für einen bärigen Folksänger geziemt, weiß man: Alles wird gut. Es folgt Joolz' Spoken Word-Auftritt. Das erste Set beschließen einige ans Herz gehende Akustiknummern aus Justin Sullivans 17-jähriger musikalischer Vergangenheit.

Dann kommt die zweite Halbzeit. In der wird alles wie vor der Pause sein, nur noch schöner. Fremde Menschen, an deren Oberschenkeln man seit Stunden unangenehme Wärme erzeugt, werden plötzlich sympathisch. Und all über all sieht man erleuchtete Gesichter, als blickten sie auf ein Prediger-Quartett.

Ein weiterer Kompag-non Sullivans, der schon bei Rev Hammer und New Model Army kräftig mitschrammelte, gibt sich bereits heute Abend die Ehre. Kaum dass es jedoch mit Dave Blombergs frischgebackener Band Nozzle richtig losgeht, steht eine Trennung an: Drummer und Bassist gehen noch vor der ersten Tour. Ersatz findet sich unter anderem bei – na? – klar, New Model Army.

Ob es für Nozzle jedoch überhaupt losgeht, hängt sicher von des Mutterschiffs treuer Gefolgschaft ab: Letztlich ist die Nähe zu der clogstragenden Band mit dem Schablonenschriftzug, von der man unter Umständen schon acht Alben im Schrank stehen hat, zu frappierend, und liegt Innovation in Sachen Gitarrenrock zu fern, als dass in anderen Kreisen Stürme der Begeisterung zu erwarten wären. So manchen Fan aber wird's wohl freuen.

Liv Heidbüchel

Nozzle: Donnerstag, 20 Uhr, Prinzenbar; Red Sky Coven: Sonnabend, 18.30 Uhr (sic), Schlachthof