Los! Rocken mit Neue Musik!

Die NDR-Reihe das neue werk begeht mit einer opulenten Auswahl moderner Kompositionen sein 50-jähriges Jubiläum – Teil eins: „Chants/Aventures“  ■ Von Christian T. Schön

Wie soll man ein Jubiläum feiern, das auf fünfzig Jahre am Puls der zeitgenössischen Musik zurückblickt? Mit bahnbrechendem aus der Vergangenheit oder Wegbereitendem für die Zukunft? das neue werk, das am 31. Januar 1951 zum ers-ten Mal seine Pforten für neugierige Zuhörer öffnete und seitdem seinen Anteil an der Musikgeschichte kontinuierlich fortschrieb, feiert jetzt mit drei Zyklen von insgesamt sieben Konzerten sein 50-jähriges Jubiläum. Unter den rund dreißig Werken befinden sich zahlreiche Klassiker und Meisterstücke der Neuen Musik, Auftragswerke aus den 50er und 60er Jahren, sowie drei Uraufführungen.

Den Auftakt bildet der erste Teil „Chants/Aventures“ mit Namen, die bereits wie Programme für sich stehen: Ligeti, Messiaen, Kagel und Varèse – sowie die noch etwas unbekannte, jüngere Generation von Benedict Mason, Magnus Lindberg und Gérard Grisey.

Das Ensemble Modern spielt am Freitag neben Arena 2 (1996) des Finnen Magnus Lindberg zwei Stücke, die sich ausdrücklich mit den Klangverhältnissen von Stimme und Musik beschäftigen. In Mitternachtsstük (1980-86) schuf Mauricio Kagel mit jedem der vier Sätze eine Studie „über die Verbindung von klar vernehmbaren Worten und einem gleichzeitig ablaufenden musikalischen Kommentar“, in der er die Vorlage, Schumanns entzückende Tagebuchprosa vollkommen zur Geltung bringt.

György Ligetis Aventures – Nouvelles Aventures (1962-65) bildet dann den Abschluss. Ligeti hatte schon Metronome zum Singen gebracht (Poème Symphonique, 1962), bevor er in diesem Stück Stimmen und Instrumente zum Seufzen, Lachen und Schreien brachte.

Das Hauptaugenmerk in diesem ersten Zyklus liegt sicherlich auf dem Konzert des ASKO-Ensembles am Sonnabend. Zwei Uraufführungen stehen dort auf dem Plan. Zuerst einmal Ligetis langerwartetes Hamburgisches Konzert für Horn solo und Kammerorchester (1998-99), mit dem er sein Bemühen um ein nicht-temperierte (z.B. Klavier) und nicht-reine (z.B. Naturhorn) Klangssprache zu einem vorläufigen Abschluß bringt, die sich bereits in seinem Violinenkonzert abzeichnete. Die dadurch entstehenden, „unsauberen“ Klänge bilden „eine Wolke aus Obertonmelodien“ (Programmhaft) und sensibilisieren für ein neues Hörvermögen und Musikverständnis. Das Stück wird zum Abschluß des Abends noch einmal wiederholt – eine Ehre, die 1997 am selben Ort Ingo Metzmacher ebenfalls Edgard Varèses gespenstischem Octandre (1923) hat zukommen lassen, das jetzt wieder ertönt.

Und noch zwei weitere, enigmatische Werke werden diesen Abend vorgestellt: Ligetis Mit Pfeifen, Trommeln, Schilfgeigen für Mezzosopran und Schlagzeug (2000) und die Uraufführung von Benedict Masons the neurons, the tongue, the cochlea... the breath, the resonance (2000). Mit seinen „Konzertinstallationen“, die den Konzertsaal „an sich“ zum Klingen bringen sollen, rockte der 45jährige Brite bereits den Mozartsaal der Alten Oper in Frankfurt und das IRCAM in Paris.

Der dritten Abend mit dem NDR-Sinfonieorchester steht dann ganz unter dem Stern französischer Komponisten. Ein Vorkonzert mit Ausschnitten aus dem Orgelwerk (18 Uhr) und das ergreifende Auferstehungswerk Et exspecto resurrectionem mortuorum (1964) von Olivier Messiaen bilden den Rahmen für Henri Dutilleuxs Mystère de l'instant (1986-89) und Gérard Griseys vier vertonte Textfragmente über Tod und Zerstörung für Quatre chants pour franchir le seuil (1997-98).

Andere Städte können von so einem Programm und der Möglichkeit, sich mit dem „Neuen“ im neuen werk zu beschäftigen, nur träumen. In März und Juni folgen Portraits von Pierre Boulez und Hans Werner Henze.

Freitag (Kagel, Lindberg, Ligeti), Samstag (Ligeti, Varèse, Mason) und Sonntag (Messiaen, Dutilleux, Grisey), jeweils 20 Uhr, Rolf-Liebermann-Studio, Oberstraße 120; Vorbericht Donnerstag, 20 Uhr, Aufzeichnung vom Sonntag: Montag, 20 Uhr, Radio 3 (NDR)