Stars in der Manege

■ Morgen beginnt im Kino 46 das 6. Internationale Bremer Symposium zum Film / Alles über Marlene Dietrich, Julia Roberts, John Malkovich und Madonna und warum sie sind, was sie sind: Stars

„Ich hab schon mal Nick Cave gefragt, ob er mich heiraten will!“, brüllt die Kollegin quer durch's Büro, als ich vorsichtig anfrage, ob schon mal jemand einen ausgewachsenen Promi-Kontakt hatte. Eine andere Kollegin wurde 1982 beim Trampen von Gianna Nanninis Freundin mitgenommen. Und ich habe mal in einem Club in Bristol neben den Jungs von Massive Attack gestanden und deren Schweißgeruch eingeatmet, und sie waren richtige Menschen und haben lauwarmes Lager getrunken wie ich auch.

Auch wenn ich hier nur Stars mittleren Kalibers auffahren konnte und niemand „in bed with Madonna“ oder im Körper von John Malkovich war – beeindruckt haben uns diese Erlebnisse nachhaltig, nur weil diese Menschen das sind, was wir nicht sind und dann wieder doch, und man muss ja auch den Menschen hinter dem Star sehen, steht in der Bravo, auf Fanseiten im Internet und im Spiegel. Dort wird diskutiert, ob der „Mensch“ Horst Buchholz, Robbie Williams und Tom Cruise schwul oder wenigstens ein bisschen bisexuell sind. Dem Fan ist das egal, weil er oder sie das schon immer wusste oder darauf schwören könnte, dass das eine Erfindung der Medien ist, genauso wie Gerüchte über Magersüchtigkeit, Schwangerschaften, Heroinabhängigkeit und Vaterschaftsklagen von Londoner Models.

„Das Großartige und Faszinierende an Stars ist, dass sie uns eine Idee davon vermitteln, was es bedeutet, in dieser Zeit ein Mensch zu sein.“ Diese Worte stammen von dem britischen Filmwissenschaftler Richard Dyer, der bereits in den Siebzigern systematisch die verschiedenen Ansätze von Star-Analysen vorgestellt hat. Außerdem hat er eigene Theorien entwickelt, wie eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Phänomen „Star“ aussehen könnte. Ihn beschäftigt die Frage, warum es ein Star-System gibt, welche Bedürfnisse damit befriedigt werden, wie innerhalb eines solchen Systems ein Star „gemacht“ wird und wann jemand als Star bezeichnet werden kann. Trotz Dyers intensiver Bemühungen, Licht in das Dunkel zu bringen, wie in einem Wust aus Marketing-Strategien, sozialen Verhältnissen und glücklichen Umständen ein neuer Stern am Firmament erscheint, konnte er nicht erklären, warum eine ganz bestimmte Person zum Star wird. Was bringt die Menschen dazu, wegen Julia Roberts oder Hugh Grant ins Kino zu rennen? Ihre Zahnreihe beziehungsweise Triefaugen?

„Star Studies“ und die Rolle des Publikums als Akteure bei der Konstruktion von Stars und Filmbedeutungen wurden in Deutschland bisher vernachlässigt. Daher haben sich die Filmwissenschaftler der Uni Bremen und das Kino 46 in ihrem 6. Internationalen Bremer Symposium zum Film dieses Themas angenommen. Dabei konzentrieren sie sich auf Film-Stars, nicht zuletzt deswegen, weil das Star-System mit dem Ausbau der Hollywood- Filmgesellschaften zu Beginn des letzten Jahrhunderts entstand. Dieser historische Ansatz – eingeleitet von Knut Hickethiers Beitrag „Von Henny Porten zu Katja Riemann“ – bildet den roten Faden, der sich durch die Vorträge hindurchzieht. Thomas Elsaesser spricht über Marlene Dietrich, Stephen Lowry über Zarah Leander, Helmut Korte über Götz George, die ehemalige Assistentin von Richard Dyer, Janina Jentz, über Madonna und zum Schluss spekuliert Georg Seeßlen anhand von Leonardo di Caprio darüber, inwiefern Hollywood auch nicht mehr dafür garantiert, dass sich jemand über Jahrzehnte im kulturellen Gedächtnis hält wie Marilyn Monroe. Und am Samstag um halb neun plaudert Horst Buchholz über sein Leben als Movie-Star, Movie-Star – I wish I was a movie star. ei

Eröffnung am Freitag, 19.1. um 16.30 Uhr. Vorträge den lieben langen Tag bis einschließlich Sonntag, 21.1. Zusätzliches Filmprogramm: 18.1. (Place Vendôme 18 Uhr, Celebrity 20.30 Uhr), 22.1. (Der Totmacher 18 Uhr, The Devil is a Woman 20.30 Uhr) und 23.1. (Drei Farben: Rot 18.30 Uhr, Hollywood Killed Me anschließend Committed 20.30 Uhr).