Reform gescheitert

Mit 2.000 Änderungsanträgen verhindert Berlusconis Rechtsopposition die italienische Wahlrechtsreform

ROM taz ■ „Die Bedingungen für eine Reform sind gegenwärtig nicht gegeben“ – mit dürren Worten teilten Italiens Regierungsparteien dem Land das Scheitern ihres Vorhabens mit, noch vor den Ende April/Anfang Mai anstehenden Parlamentswahlen zu einer Wahlrechtsänderung zu schreiten. Gescheitert ist damit eines der wichtigsten Reformprojekte der Mitte-links-Allianz. Allein verantwortlich dafür – so eine von den Koalitionsfraktionen am Dienstagabend im Senat verabschiedete Entschließung – sei allein Berlusconis Rechtsopposition, die mit 2.000 Änderungsanträgen die rechtzeitige Verabschiedung eines neuen Gesetzes torpediert habe.

Bisher werden drei Viertel der Sitze in Kammer und Senat nach dem Mehrheitswahlrechts-Modus direkt in den Wahlkreisen vergeben; ein Viertel fällt gemäß Stimmenproporz an die Parteilisten. Schon im Mai letzten Jahres sollte dieses Wahlrecht mit einem von weiten Teilen der Regierungskoalition unterstützten Volksentscheid gekippt werden – zugunsten eines reinen Mehrheitswahlrechts. Hauptgegenspieler dieser Lösung war Silvio Berlusconi: Er schlug stattdessen vor, den Anteil der nach Proporz vergebenen Sitze auf 50 Prozent zu erhöhen. Den Italienern riet er, dem Referendum fern zu bleiben. Mit Erfolg: Der Entscheid war ungültig, da sich weniger als die Hälfte der Stimmberechtigten beteiligten.

In einem abrupten Schwenk nahm das Regierungslager daraufhin den Berlusconi-Vorschlag auf. Doch nun wollte Berlusconi von seinem eigenen Modell nichts mehr wissen; die magere Begründung lautete, für Reformen sei es „zu spät“. Das wahre Motiv Berlusconis liegt auf der Hand: Mit dem aktuellen Wahlmodus hat der in den Meinungsumfragen vorn liegende Rechtsblock beste Siegchancen.

Dem Regierungslager dagegen wird es nun noch schwerer fallen, Wahlabsprachen mit den linksoppositionellen Kommunisten zu treffen. Ein politisches Bündnis gilt als ausgeschlossen; verhandelt wurde bisher über bizarre Formeln wie eine „konstruktive Divergenz“ oder eine „Nicht-Kriegführung“ auf der Linken. Die Steigerung der Proporzquote (und damit der Chancen von Rifondazione comunista, eigene Kandidaten ins Parlament zu bringen) galt dafür als unabdingbare Voraussetzung. Entsprechend ungehalten war der Kommentar des kommunistischen Parteichefs Fausto Bertinotti: Mit dem Verzicht auf die Reform habe die Koalition ein spektakuläres Eigentor geschossen. MICHAEL BRAUN