Goldene Brücke mit Gesicht

■ Mühlenberger Loch: Nabu und Klägeranwalt zeigen Senat „einmalige Chance“ für den Rückzug aus dem Airbus-Projekt

Der Hamburger Senat habe jetzt eine „einmalige Chance“, sagt Peter Mohr: „Aufgrund der neuen Rechtsentwicklung kann er sich ohne Gesichtsverlust aus dem Projekt zurückziehen“, glaubt der Anwalt, der mehrere KlägerInnen gegen die Erweiterung der Airbus-Werft Finkenwerder gerichtlich vertritt.

Eine goldene Brücke, die zu beschreiten die Regierung des Stadtstaates kaum ernsthaft in Erwägung ziehen wird, obwohl ihre Chancen zur Realisierung des größten Indus-trieprojekts Hamburgs auf ein Minimum geschrumpft sind. Die Teilfertigung des Riesen-Airbus A380 in der Hansestadt steht auf juris-tisch tönernen Füßen, die Zerstörung des Mühlenberger Lochs, des letzten großen Süßwasserwatts Europas, für die Werkserweiterung ist unwahrscheinlich geworden. Und dafür sind vor allem die juristischen Teilerfolge von Mohr und seinem Kollegen Rüdiger Nebelsieck verantwortlich.

Die neue Rechtslage sorgt seit gestern (taz berichtete ausführlich) für tiefe Sorgenfalten bei Wirtschaftsenator Thomas Mirow (SPD) und seinen Hausjuristen. Das Verwaltungsgericht erklärte in zwei Beschlüssen den Planfeststellungsbeschluss für die Werkserweiterung für „rechtswidrig“, weil er gegen europäisches Naturschutzrecht verstoße. Dabei berief es sich auf ein neues Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Danach habe die EU-Kommission, auf die der Senat sich beruft, ihre Ausnahmegenehmigung für die Teilzuschüttung des Vogelschutzgebiets unzulässigerweise erteilt.

Und das Oberverwaltungsgericht (OVG), das von der Wirtschaftsbehörde in zweiter Instanz angerufen wurde, hat angedeutet, keine Eilentscheidung treffen zu wollen. Dafür sei dieser hochkomplexe Fall „nicht gegeignet“. Am 15. Februar aber läuft die Frist ab, bis zu der Airbus „Planungssicherheit“ erwartet; anderenfalls könnte der A380-Teilauftrag an das Werk Toulouse vergeben werden.

Es gehe hier, sagt Uwe Westphal, um „einen Präzedenzfall von europäischer Dimension“. Wenn das OVG entgegen dem Urteil des EuGH das gigantische Bauprojekt genehmige, sei „die Glaubwürdigkeit und Durchsetzbarkeit europäischen Naturschutzrechtes dahin“, prophezeit der Biotopschutz-Experte des Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Dann könnten in der gesamten EU Umweltzerstörungen mit Hinweis auf das vernichtete Mühlenberger Loch gerechtfertigt werden.

Denn Westphal hat keinen Zweifel, dass die sogenannte Teilaufschüttung der Elbbucht – 170 von etwa 650 Hektar – „eine Komplettzerstörung“ ist. Ausgerechnet der „ökologisch wertvollste Teil“ der Wasserfläche solle der Werkserweiterung weichen, die Auswirkungen auf den gesamtem Organismus Mühlenberger Loch seien tödlich: „Wenn man jemandem ein Messer ins Herz stößt, hinterlässt das auch nur ein relativ kleines Loch“, sagt Westphal, „die Konsequenzen sind gleichwohl fatal.“

Sven-Michael Veit