„Das Volk erträgt das Elend nicht“

Kongos führender ziviler Oppositioneller Etienne Tshisekedi über die Lage im Land nach Kabilas Tod

taz: Wie reagieren Sie auf die Ermordung von Laurent Kabila?

Tshisekedi: Ich bedaure, dass Kabila der Gewalt zum Opfer gefallen ist, denn man löst Probleme durch Gewaltlosigkeit. Wir haben sogar seiner Familie unser Beileid ausgesprochen. Dass sein Sohn an die Staatsspitze ernannt worden ist, bedeutet uns nichts, denn wir haben diese Regierung nie als legitim anerkannt und aus diesem Grund hat der Kampf unseres Volkes immer angedauert. Die internationale Gemeinschaft hat Kabila nicht unterstützt, weil sie wusste, dass seine Macht die eines Warlords war und keine Regierung. Was jetzt in Kabilas Lager passiert ist kein neues Problem. Was mich interessiert, sind die Einzelpersonen an der Macht, an die ich appelliere, sich mit dem internationalen Kongo-Vermittler Masire zusammenzusetzen, um einen innerkongolesischen Dialog zu starten. Diese Regierung hat keinerlei Legitimität, aber sie stellt eine Macht da, die die von Kabila war und die in diesem Dialog vertreten sein muss, um die Krise zu lösen.

Und wenn Kabilas Sohn der Linie des Vaters treu bleibt und den Dialog ablehnt?

Aber man kennt uns! Wir haben uns Mobutu widersetzt, bis er nachgeben musste. Kabila dachte, wir würden jetzt nicht so weit gehen. Er hat aber gesehen, dass wir hartnäckig sind. Wir waren dabei, mit ihm bis zum Äußersten zu gehen. Ich bin sicher, dass sein Sohn das mitgekriegt hat und sich nicht trauen wird, sich uns zu widersetzen.

Und wenn doch, was werden Sie dann Ihren Aktivisten von der UDPS raten?

Die UDPS könnte zur Gewalt greifen! Das kongolesische Volk erträgt das Elend in Kinshasa nicht länger! Ich weiß, dass der Unmut des Volkes etwas mit dem Schicksal Kabilas zu tun hatte.

Also werden Sie zu Demonstrationen aufrufen?

Genau! So weit sind wir jetzt. Wir wollten bis jetzt, dass die Vernunft siegt. Aber ich hoffe, dass wir nicht so weit gehen müssen.

Die zivile Opposition ist gespalten, die bewaffneten Rebellen sind es auch. Wie soll man mit all diesen Leuten reden?

Ich habe die Rebellen bereits aufgefordert, sich mit Masire zusammenzusetzen. Man kann gegen etwas Krieg führen, aber dabei vertritt man nur sich selbst. Das wirkliche Gewicht ist politisch. Was die anderen zivilen Oppositionellen angeht, will ich die nicht kennen. Ich spreche für die richtige Opposition. Die anderen sind nicht die richtigen, sie interessieren mich nicht.

Welche Rolle sehen Sie für sich selber im innerkongolesischen Dialog und im Friedensprozess?

Ich sehe für mich die Rolle, die das Vertrauen des kongolesischen Volkes mir zuspricht.

Das heißt?

Egal welche, wenn sie dem Vertrauen entspricht, das ich genieße.

Sie wollen also als Premierminister wieder eingesetzt werden?

Ich weiß nicht, ob es eine andere Wahl gibt. Es ist die Wahl des Volkes, und ich glaube, dass es mir noch vertraut. Es kann mir die höchstmöglichen Ämter anbieten – ich werde sie annehmen.

Ist das eine Bedingung, damit Sie am Dialog teilnehmen?

Es ist keine Bedingung. Da ich keine Waffen tragen, will ich mein Amt nicht mit Gewalt durchsetzen. Mein Amt ist keine Bedingung, kein Problem, sondern ganz einfach eine Realität.

INTERVIEW: FRANÇOIS MISSER