„Wir können nicht nur auf Ökolandbau setzen“

Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes in Berlin, über die Lehren aus der BSE-Krise und die notwendige ökologische Finanzreform

taz: Herr Troge, die Landwirtschaft verursacht massive Umweltschäden. Müsste man sie nicht verbieten?

Andreas Troge: Das ist eine rhetorische Frage. Wir müssen uns klar darüber werden, welche Art von Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion wir wollen. So, wie es bisher war, geht es nicht weiter.

Was muss anders werden?

Die so genannte „gute fachliche Praxis“, in der Industrie ist das der Stand der Technik, muss überarbeitet werden, etwa bei der Düngung. Wenn Sie heute Dünger ausbringen, bleibt der lange auf dem Acker liegen und das Ammoniak entweicht in die Luft. Wir fordern seit Jahren, dass der Dünger schnell in den Boden eingearbeitet werden soll, um eine unnötige Belastung der Atmosphäre zu verhindern. Wir haben uns schließlich auch international verpflichtet, unsere Emissionen zu reduzieren. Außerdem muss es eine ökologische Finanzreform auch in der Landwirtschaft geben. Zuschüsse müssen von der Einhaltung von Umweltstandards abhängig gemacht werden.

Also soll es Geld nur noch für Ökobauern geben?

Nein, die erhalten dann zusätzlich Geld für ihre besonderen Leistungen für den Umweltschutz.

Sollen alle Bauern am besten Ökobauern werden?

Wir können nicht nur auf den Ökolandbau setzen. Der setzt zwar einen wichtigen Standard, aber wir werden in den nächsten Jahren noch über 90 Prozent der Fläche im herkömmlichen Anbau haben. Und dort in der Fläche müssen wir Erfolge haben. Deshalb müssen wir die gute fachliche Praxis aktualisieren und sie auch überwachen.

Wer soll die Einhaltung dieser Kriterien überwachen?

Erstens die Bauern selbst. Sie müssen nachweisen, dass sie den Stand der Technik einhalten. Aber der Staat muss diese Eigenüberwachung kontrollieren. Das ist die Lehre aus der BSE-Krise. Wir müssen pathologisches Lernen vermeiden und stattdessen vorsorgend tätig werden.

Das heißt, dass seit Jahrzehnten Subventionen in eine völlig falsche Art der Landwirtschaft geflossen sind.

Das war ja allgemein bekannt. Die Agenda 2000 der EU hat da einen Fortschritt gebracht. Subventionen sind jetzt beides: Hilfen für den Betrieb des Hofes und Entschädigung für Einkommen. Wenn wir weiterhin die Landwirtschaft unterstützen wollen, ohne den Naturhaushalt über Gebühr zu beanspruchen, müssen wir das Einkommen von der Produktion entkoppeln.

Die neue Landwirtschaftsministerin Renate Künast muss also vor allem Finanzpolitik machen?

Ja, die ökologische Finanzreform ist auch ein Thema der Landwirtschaft. Ich bin gespannt, wie die Neigung zu einer neuen Agrarpolitik in den Bundesländern aussieht. Die EU lässt zu, dass bis zu 20 Prozent der bisherigen Gelder für Umweltprogramme umgewidmet werden, wenn die Mitgliedsländer das nochmal drauflegen. Dann wird sich erweisen, wie ernst wir es meinen mit einer Wende in der Agrarpolitik.

Sind Bauern Umweltschützer?

Ja und nein. Ja, wenn es um den eigenen Hof geht. Die Landwirte haben aber andererseits lange nicht zur Kenntnis genommen, welche diffusen Belastungen sie verursachen, zum Beispiel durch das Abschwemmen der Stickstoffe und Phosphate in die Flüsse und die Meere.

Aber die Bauern haben im jetzigen System doch kaum eine andere Wahl.

Das Problem ist, dass die Landwirtschaft leider zu keinem Zeitpunkt in den Markt entlassen worden ist. Und die größten Umweltprobleme haben wir in den hoch regulierten, marktfreien Bereichen.

Ein zentrales Problem ist die Fleischmast. Darf man Fleisch nur noch am Sonntag essen?

Die Tage lasse ich gern frei. Aber die Tradition hat ja nicht nur etwas mit Wohlstand, sondern auch mit gesunder Ernährung zu tun. Klar ist: Der Fleischkonsum muss runter, zum Beispiel auf das Niveau der Italiener. Das wird wahrscheinlich über den Preis laufen, wenn wir gesundheitlich einwandfreies Fleisch produzieren. INTERVIEW: BERNHARD PÖTTER