„Die haben aus ihrer Sicht Erfolge“

■ Reinhard Wagner, Chef des Verfassungsschutzes, über Rechtsextremisten, die selbstbewusster und agressiver werden

taz hamburg: Die gestiegene Zahl rechter Straftaten erklärt sich möglicherweise „nur“ durch die vermehrte Registrierung. Die Gefahr von Rechtsaußen ist also nicht größer geworden?

Reinhard Wagner: Die Analysen sind vorläufig. Möglicherweise gibt es ein Bündel von Gründen für den registrierten Anstieg. Neben einer erhöhten Anzeigebereitschaft spielt sicher eine Rolle, dass die Rechtsextremen selbstbewusster und agressiver geworden sind.

Wodurch?

Sie haben aus ihrer Sicht Erfolge. Es ist ihnen gelungen, Demons-trationen gerichtlich durchzusetzen, auch in Hamburg. Sie konnten ihre Vorstellungen auf die Straße bringen, was insbesondere bei Neonazis und Skins wichtig ist – da gehört es zur Ideologie, durch die Straßen zu marschieren. Dann ist aber auch die aggressive Stimmung insgesamt gestiegen. Rechts- und linksextremes Lager schaukeln sich gegenseitig auf. Und die Rechtsextremen reagieren gereizt auf staatliche Verbote.

Die Demonstrationen fördern das Selbstbewusstsein der Rechtsextremen. Deswegen werden diese dann gewalttätig. Da müsste man doch die Demonstrationen verbieten können?

Das ist nur ein indirekter Zusammenhang. Von der Demonstration selbst gehen die Straftaten nicht aus – da achten die Anführer sehr drauf. Außerdem kommt nur ein Teil der Straftäter aus der Szene. Der Großteil ist nicht organisiert und kommt auch nicht zu den Demonstrationen. Dieser Personenkreis ist dem Verfassungsschutz schwer zugänglich, der fällt ja nicht auf, bevor er eine Straftat begeht. In der Regel sind das spontane Taten. Da kommt gerade ein Ausländer vorbei, und an dem wird die Wut dann ausgelassen. Die Zahl der organisierten Rechtsextremen in Hamburg hat sich im vergangenen Jahr nicht erhöht und liegt bei rund 1000. Auch der Anteil der Gewaltbereiten, etwa zehn Prozent, ist nahezu gleich geblieben.

Haben Sie Belege dafür, dass die gestiegene Berichterstattung eine Rolle bei der Zunahme der Straftaten spielt?

Im Einzelfall können wir das nur schwer belegen, aber es ist durchaus möglich. Aber ob weniger berichtet werden sollte – das muss eine freie Presse selbst entscheiden. Interview: Heike Dierbach