Jeder taz einen Deckel

■ In Halle 6, wo zu Freimarktszeiten die Masse johlt, hat morgen nur einer das Sagen: Thomas Gottschalk rückt mit „Wetten, dass ...?“ an/ Ein Tommy-Appell für die taz

Nation! Bremen und Bremerhaven! Jung und alt, schwarz und grün, Boris und Babs! Schaltet ein! Seht genau hin, wenn Thomas Gottschalk heute Abend live in der Bremer Stadthalle zeigt, wie sich mit Lila Sammet, blonden Locken und dem unschuldigen Charme eines BSE-kontaminierten Gummibärchens die Gegensätze unserer Gesellschaft in ein großes gelbes Nichts auflösen lassen.

„Bei uns treffen sich Biolek und Sabrina Setlur! Ich bin der letzte, der noch den Deckel über das ganz große Publikum stülpen kann!“, verriet Gottschalk auf der Pressekonferenz in Halle 6. Der Mann hat eine Mission. Er wolle solange mit Wetten Dass! weitermachen, wie ihm dieser Spagat noch gelänge. Schließlich sei er „der letzte, der noch die Tür aufhält.“

Auch heute Abend wird der leidenschaftliche Türstopper wieder mit seiner ansteckenden Fröhlichkeit für einen Moment Maradonas Kokainabhängigkeit und Sabrina Setlurs Persönlichkeitsvielfalt (“Ich bin Maria Magdalena“) vergessen machen. Live und ohne Berührungsängste wird er uns davon überzeugen, dass letztendlich alles zusammenpasst und es doch einen Sinn im Unsinn gibt. Soll doch zusammenwachsen, was zusammengehört: eine Riesenflasche Schnaps und ein Lastwagen. Junge schöne Frauen und das feuchte Nass eines Bremer Schwimmbades. Playmates und Strumpfhosen - eine „spicy Angelegenheit“.

Aber das ist noch nicht alles. „In den USA wird der Strom abgestellt und in Deutschland die taz abgeschafft. Es gibt so viel Elend auf dieser Welt.“ Deshalb würde er seine magischen Fähigkeiten, die ein Massenpublikum dazu bewegen, am Samstag zur Prime-Time ohne Grund das ZDF anzuschalten, jetzt auch im Kampf gegen die miesen Einschaltquoten der taz einsetzen . „Wenn ich dazu beitragen kann, dass diese frustrierten und verbitterten Redakteure wieder Freude in ihrem Leben haben – ja, denn ich bin ein sozialer Mensch,“ sagte Gottschalk vor den Ohren seines Programmchefs Victor Worms und einer angsteinflößend großen Journalistenmeute. War das eine Ankündigung sich in die taz-Solikampagne einzureihen, deren Vorbild die Wetten dass!-Couch ist? Wer sonst in Deutschland kriegt Jürgen W. Möllemann, Rudolf Augstein, Christoph Schlingensief, Regine Hildebrandt, Julia Butterfly Hill, Gerhard Seyfried, den Dalai Lama, Franka Potente und Angela Marquardt unter einen „Deckel“? Liegt da eine Zusammenarbeit nicht auf der Hand beziehungsweise vor der Tür? Wird der letzte Held des öffentlich rechtlichen Fernsehens heute nach einer verlorenen Saalwette Bio, die Setlur, Stefan Raab, Loddar, Maradona und Kylie Minogue bequatschen, ihr Gesicht für die gute Sache hinzuhalten? Immerhin hatte er angekündigt, dass die Wetteinsätze wieder härter werden sollen.

Gottschalk wohnt in einem Land, „das Jenny Elvers nicht kennt“. Was er ansonsten vermisse, wollte ein Journalist wissen, nachdem die richtig heiklen Fragen – Gucken ihre Kinder auch Wetten Dass, wetten Sie selbst, was tragen Sie da für eine Brille? – beantwortet waren. Die Antwort: „Die taz, die taz!“. Eiken Bruhn