Urteil im Bremer Taxi-Prozess – Gutachter im Krankenhaus

■ Neun Monate auf Bewährung für die Fahrerin, die am Hauptbahnhof in die Menschenmenge gerast war

Im Prozess gegen Eva D., Fahrerin der Unglückstaxe, die im Oktober 1999 am Bremer Hauptbahnhof 19 Menschen zum Teil schwer verletzte, wurde gestern das Urteil gesprochen. Die 35-Jährige, die bis zuletzt auf ihrer Version bestanden hatte, nach der der Wagen losgeschossen sei, obwohl sie auf der Bremse stand, wurde vor dem Schöffengericht zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Bewährungsauflagen hat sie nicht zu erfüllen, auch ihren Führerschein wird sie behalten. Die Prozesskosten hat die Angeklagte zu tragen – allein das Gutachten über den Unfallwagen kostete rund 4.000 Mark.

Das Urteil konnte in diesem Fall nur mit Zustimmung der Angeklagten ergehen – der Sachverständige, der den Unfallwagen begutachtet hatte, war überraschend ins Krankenhaus gekommen, so dass die Hauptverhandlung gestern nicht wie vorgesehen fortgesetzt werden konnte. Daher gab es für alle beteiligten Parteien – für Staatsanwaltschaft, Verteidigung, Richter und Schöffen – nur die Möglichkeit, sich auf ein Urteil zu einigen. Sonst hätte der Prozess nach der Genesung des Gutachters von vorne beginnen müssen: Zwischen Hauptverhandlung und Fortsetzung dürfen nicht mehr als zwölf Wochen liegen; da die Erkrankung des Sachverständigen langwierig ist, hätte diese Frist nicht eingehalten werden können.

„Das Damoklesschwert der nächsten Hauptverhandlung hätte dann vielleicht noch ein Jahr über Frau D. gehangen“, erklärte der Richter Dieter Pilz. „Von Seiten Frau D. gibt es daher ein berechtigtes Interesse an einem Urteil.“ Auch lag das Ergebnis des Gutachtens schon seit längerem vor: Der von der Polizei bestellte Sachverständige hatte – so wiederholte Richter Pilz noch einmal – erklärt: „Das Auto ist in Ordnung, der Fehler muss beim Fahrer liegen.“ Auf dieser Grundlage wurde Eva D. letztlich wegen fahrlässiger Körperverletzung schuldig gesprochen. „An eine Einstellung des Verfahrens hat niemand gedacht“ berichtet Pilz von der telefonischen Einigung. In seiner Urteilsbegründung hob der Richter noch einmal hervor, dass es nur „Glück“ gewesen sei, wenn bei der Schreckensfahrt durch die enge Containergasse am Bahnhofsvorplatz niemand ums Leben gekommen ist. „Das war schon eine gewaltige Sache“. Dennoch gibt er zu: „Wir haben den Sachverhalt hier nicht vollständig aufklären können“. Auch das psychologische Gutachten, das über Eva D. angefertigt wurde, gebe keinen Aufschluss darüber „warum sie auf dem Gaspedal stand und nicht auf der Bremse“. Laut Anklage hat eine Verwechslung der Pedale an dem Automatikwagen zu der von allen Zeugen geschilderten plötzlichen Beschleunigung geführt. „Wir gehen also von unbewusster Fahrläsigkeit aus.“

Eva D. hat sich laut ihres Anwalts „mit ganz großem Zähneknirschen“ zu der Einigung durchgerungen. „Ich weiß, dass ich die Pedale nicht verwechselt habe, aber ich will, dass endlich Ruhe einkehrt“, sagt die Mutter dreier Kinder. „Eigentlich lehnt sie es immer noch ab, sich hier schuldig zu bekennen“, ergänzt der Verteidiger. hey