berliner szenen
: Geschäftstermin

Smart Site

Wer zu spät kommt, den kann Bruno Jonas nicht mehr erheitern. Aber weil nach seinem Auftritt die ersten Gäste gegangen sind, darf man als Anhängsel ohne eigene Einladungskarte schon mal gegen die Regeln in den überdachten Innenhof des Gebäudes Mittelstrasse 2–4. Und so bin ich drin, bei der FAZ. Der Event, der hier am Donnerstagabend statt findet, ist ein Geschäftstermin, weshalb man auf der Einladung nach einem Auto gefragt wird beziehungsweise einem Auto plus Chauffeur, aber nicht nach einem oder einer BegleiterIn.

Event und Business sind natürlich Anglizismen, die man im Zusammenhang mit der FAZ so ohne weiteres nicht verwenden mag. Doch an diesem Abend sind sie voll okay. Schließlich wird das FAZ.NET vorgestellt, „Deutschlands erste SMART SITE“. Sie will den „jungen, klugen Kopf“ – nicht mehr hinter der Zeitung, sondern jetzt vor dem Bildschirm – erreichen, den sie dann „hocheffizient in der persönlichen Lebensführung“ unterstützt. Das ist an sich sehr lobenswert, und man versteht sofort, warum dem klugen Kopf nun beigebracht wird, wie das mit den „buzz-words“ so funktioniert, dass eben Business und Event, wie schon oben gesagt, okay sind.

Die SMART SITE ist kein dotcom, nur ein dotde. Vielleicht finden sich deshalb keine Turnschuh-&-T-Shirt-Geeks und Nerds im Publikum, sondern nur jene 25- bis 30-Jährigen, die – obwohl kluge Köpfe – offenbar unter allen Umständen wie 50 aussehen wollen, was ihnen in ihren grauen Flanellanzügen ohne weiteres gelingt. Frank Schirrmacher, der diesem Alter schon etwas näher gerückt ist, geht schon gleich am Stock (gottlob einem ohne Silberknauf.)

Journalisten scheinen nicht unter den Gästen zu sein. Nur ein paar Onlineredakteure aus Frankfurt mischen sich unter die Geschäftswelt, die vornehmlich vertreten ist. Verständlich da das Angebot der F.A.Z. Electronic Media GmbH, die neben dem FAZ.NET auch das FAZ Business Radio betreibt, „Content [Achtung! buzz-word], Community [dito] und Commerce [igitt-igitt-word]“ heißt. Ach ja, nicht nur Technoschlagwörter, auch die Rechtschreibreform ist bei www.faz-net.de erlaubt. Das macht der Kommerz. Sonst ist der Abend erstaunlich berlinerisch. Paul Kuhn ist der Mann am Klavier, und dann gibt es tatsächlich auch noch – Currywurst. Wbg