Beklagte Banken müssen zahlen

Französische Shoah-Opfer sollen aus einem Treuhand-Konto entschädigt werden. Einigung stößt auf Kritik

PARIS taz ■ „Class actions“ gibt es in der französischen Rechtsprechung nicht. Deswegen wollte der „Jüdische Weltkongress “ mehrere Entschädigungsforderungen an französische Banken, die die Konten von Shoah-Opfern seit 1956 für sich behalten haben, vor einem US-Gericht austragen. Die Drohung reichte, damit die französische Regierung einen eigenen Unterhändler benannte und in die USA schickte.

In der Nacht zu gestern erzielte der Franzose Jacques Andréani mit US-Unterstaatssekretär Stuart Eizenstat und Vertretern der Kläger und Beklagten eine außergerichtliche Einigung: Die 8 beklagten französischen Banken müssen jetzt ein Treuhand-Konto einrichten. Daraus soll sowohl die französische Gedächtnisstiftung finanziert, als auch Entschädigungen an enteignete Kontoinhaber gezahlt werden. Das Treuhand-Konto soll 50 Millionen US-Dollar umfassen und aufgefüllt werden, sobald es unter 25 Millionen US-Dollar sinkt. Aus einem zweiten Konto, das auf 22,5 Millionen US-Dollar begrenzt ist, sollen Antragsteller entschädigt werden, die keine Nachweise über ihre geraubten Konten haben.

In Frankreich hatten die Vertreter der jüdischen Bevölkerung das US-Geschehen in den vergangenen Monaten eher skeptisch verfolgt. Sprecher zeigten unverhohlen, dass sie sich von den Praktiken des Weltkongresses in den USA überrumpelt fühlten. „Mit 700.000 Mitgliedern sind wir die größte jüdische Diaspora außerhalb der USA. Wir können unsere Interessen gut selbst vertreten“, erklärte der Präsident des „Vertretungsrats der jüdischen Institutionen in Frankreich“ (Crif), Henri Haijdenberg, im vergangenen Jahr.

Die jüdischen Organisationen in Frankreich haben ihre gesamte Energie in Sachen Vergangenheitsbewältigung auf die historische und politische Arbeit der von der Pariser Regierung eingesetzten Mattéoli-Kommission konzentriert. In monatelanger Arbeit ermittelte und bezifferte diese Kommission das Ausmaß der Beraubung der jüdischen Bevölkerung Frankreichs zwischen 1940 und 1944. Seit vergangenen April, als die Kommission ihren Abschlussbericht vorlegte, ging es in Frankreich vor allem um die praktische Umsetzung ihrer Empfehlungen. Besonders um die Einrichtung der mit 2,5 Milliarden Francs ausgestatteten „Gedächtnisstiftung“. Die Arbeiten an diesem Projekt sind längst nicht abgeschlossen. Gegenwärtig arbeitet die Stiftung an ihrer Satzung.

An der Klage in den USA war keine Organisation der jüdischen Bevölkerung Frankreichs beteiligt. Sie war von französischen Immigranten in den USA initiiert worden. Die Einigung betrifft die Inhaber sämtlicher von der Mattéoli-Kommission ermittelten 64.000 enteigneten Konten in Frankreich. Die Reaktionen auf die Nachricht aus den USA fielen in Paris durchwachsen aus. „Ich hoffe, dass die Sache damit aus der Welt geschafft ist“, sagte Weintraub, Direktoriumsmitglied des Vertretungsrats der jüdischen Institutionen in Frankreich. Eine endgültige Gewissheit könne es aber nicht geben, präzisierte der Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses in Frankreich, Cwaigenbaum. Denn auch in Zukunft könne ein US-Anwalt nach neuen Klagemöglichkeiten suchen.

Entsetzt reagierte der französische Shoah-Experte, David Douvette. „Das ist ein Gentleman-Agreement, das den historisch und juristisch klaren Blick auf die Realität der Ausplünderung der Juden in Frankreich verhindert“, sagte er zur taz. „Statt der Klärung der historischen Wahrheit, macht man ein Pauschalabkommen.“

DOROTHEA HAHN