Vom Erfolg überrascht

Unerwartet gewann die Berlinerin Daniela Samulski beim Schwimm-Weltcup über 100 Meter Rücken. Geht es nach ihrem Trainer, könnte sie bald das Loch hinter van Almsick und Völker schließen

von MARTIN KRAUSS

So ganz entschlossen wirkt Daniela Samulski nicht. Erste ist die Berliner Schwimmerin über 100 Meter Rücken geworden, und das ist sehr gut. Die 16-Jährige war schließlich nicht irgendwo erfolgreich, sondern beim Weltcup, der an diesem Wochenende in der Schwimmhalle an der Landsberger Allee Station machte. Und beim Weltcup ist ein Großteil der Weltelite versammelt.

Samulski wirkt unentschlossen, weil sie im Rückenschwimmen noch nie so gut gewesen ist: Ihre Speziallage ist Schmetterling, und jetzt weiß sie nicht, wie sie ihren Erfolg einschätzen soll. Denn eigentlich gibt Sandra Völker aus Hamburg in Deutschland beim Rückenschwimmen immer noch das Maß vor. „Ist ja klar, dass Sandra über Rücken alles bestimmt“, sagt Samulski. Sie sagt dies selbstbewusst: Es ist nun mal so, dass der Name Samulski in Deutschland nicht die Bedeutung hat wie die Namen Völker oder van Almsick.

Daniela Samulski ist eben nur eine talentierte 16-jährige Schwimmerin. Sie ist Schülerin auf der Hohenschönhausener Werner-Seelenbinder-Schule, wo der Unterricht auf den Sport abgestimmt wird. Im vergangenen Jahr wurde sie überraschend Deutsche Meisterin über 50 und 100 Meter Schmetterling. Samulski ist also eine sehr gute Schwimmerin, aber eben keine Ausnahmeerscheinung. Sie ist kein Star, über dessen Liebesleben im Fernsehen berichtet wird – auch wenn die B.Z. schon mal behauptet hat, sie könne als Spice Girl durchgehen.

Das Fehlen des Glamours im gegenwärtigen Schwimmsport merkt man auch beim Besuch des Weltcups. Die noch recht neue Schwimmhalle an der Landsberger Allee war zwar gut gefüllt, aber nicht voll. Das ZDF hat mit elf Kameras übertragen – so viel hatten sie noch nie bei einer Schwimmveranstaltung dabei. Sandra Völker absolvierte einen Start und erklärte danach im Interview, dass dies ihr Saisonauftakt ist: „Wir haben ja gerade sechs Tage Skilanglauftraining in Norwegen hinter uns, haben dort ganz viel für die Kondition getan, und jetzt beginnt erst wieder das Training.“ Aber für ein Mega-Event reicht das noch nicht.

Auch die Anwesenheit von Alexander Popow verschafft dem Weltcup noch keine „Centercourt-Atmosphäre“, von der der Veranstalter vorher erzählt hatte. Popow, der beste Schwimmer des vergangenen Jahrzehnts, wurde über 100 Meter Freistil Dritter in 47,98 Sekunden.

Gewonnen hat sein australischer Trainingskollege Michael Klim (47,53 Sekunden) – aber beide Herren sind erst seit wenigen Tagen im Training: Sie haben sich nach Sydney mehrere Monate Pause gegönnt. „Wenn Franzi nicht da ist, kommen natürlich weniger Leute“, vermutet Daniela Samulski, warum der ganz große Besucherandrang nicht stattfindet. „Gerade die jungen Leute bleiben dann weg.“

Dabei ist Franziska van Almsick schon da, sie schwimmt bloß nicht, denn sie hat das Training noch nicht wieder aufgenommen. Der Hauptsponsor des Weltcups, die Sportartikelfirma „arena“, hat van Almsick als Stimmungskanone verpflichtet. Vor den Wettkämpfen animiert sie zusammen mit einem Moderator das Publikum. „Geht es nicht ein bisschen lauter?“, krächzt sie nicht so richtig motiviert vom Beckenrand hoch zu den Zuschauern. Von dort kommt ein zögerliches „Johohojojo“ zurück.

Daniela Samulski will nach ihrem Erfolg jetzt für die Weltmeisterschaften zwei Disziplinen trainieren: Rücken und Schmetterling. Die WM ist im Sommer in Japan, und während sie das sagt, korrigiert sie sich noch mal schnell. „Erst mal muss ich mich ja bei den Deutschen für die WM qualifizieren.“ Auch da ist Daniela Samulski noch nicht so recht entschieden. Ist der Saisonhöhepunkt Deutsche Meisterschaft oder die Weltmeisterschaft? Ist ihre beste Lage jetzt Schmetterling oder doch Rücken?

Ihr Trainer Peter Rund ist da eindeutiger. „Rücken ist ja bei Daniela eigentlich nur ein Abfallprodukt vom Schmetterling“, erläutert der Experte. „Ihr Schmetterlingbeinschlag ist sehr stark, sie arbeitet sehr gut aus der Hüfte heraus, und davon profitiert sie beim Rücken natürlich auch.“ Rund betreut Samulski seit etwa zwei Jahren, und jetzt richtet er das Training auf die Weltmeisterschaften in Japan im Juli aus. „Sie soll sich in der internationalen Spitze etablieren, und das wird ihr auch gelingen.“

Das klingt entschlossener. Aber ganz große Versprechungen, wohin die Karriere von Daniela Samulski gehen wird, macht auch Peter Rund nicht. „Wir haben ja Glück. Da ist hinter Völker und Almsick ein Riesenloch. Das muss ja gefüllt werden, und sie kann das füllen.“ Sie selbst hält sich noch bedeckter. „Muss man mal sehen, wie sich das entwickelt.“