Wenn Botschafter Schulbuben werden

Dreimal in einer Woche wurden ausländische Botschafter in Berlin gerügt. Wer sich was anhören muss, verrät einiges über rot-grüne Außenpolitik

Der Minister, selbst unter Druck, brauchte ein sichtbares Zeichen seiner Tatkraft

von PATRIK SCHWARZ

Die Woche begann mit Ahmed Asisi aus dem Iran. Am Mittwoch traf es den US-Amerikaner Terry Snell, vorgestern dann Marcelino Medina aus Kuba. Drei ausländische Botschafter in Berlin hat die Bundesregierung in den letzten sieben Tage einbestellt – da werden gestandenen Diplomaten wie Schulbuben die Leviten gelesen. Einen Brief nach Hause bedeutet es auch noch – denn die Botschafter holen sich die Beschwerden stellvertretend für ihre politischen Herren in der Heimat ab. Die drei Fälle sind unterschiedlich, trotzdem haben sie Gemeinsamkeiten:

Sie verraten subtile Veränderungen in der deutschen Außenpolitik unter Rot-Grün. Niemals ist das Ausland der einzige Adressat. Und oft genug wird mit gleicher Münze heimgezahlt. Eine Woche nachdem der deutsche Außenminister den iranischen Botschafter rügen ließ, hat jetzt das iranische Außenministerium gekontert. Vorgestern musste sich in Teheran der deutsche Repräsentant Rüdiger Reyels sagen lassen, was man von der deutschen „Einmischung in innere Angelegenheiten“ hält – nämlich nichts. Streitpunkt sind die Haftstrafen, die ein Revolutionsgericht gegen Teilnehmer einer Tagung der Böll-Stiftung zu Reformen im Iran verhängte.

Doch während der Austausch von Protestnoten mit dem Iran in Menschenrechtsfragen fast schon Tradition hat, ist die jüngste Auseinandersetzung mit Kuba eine Premiere. Anders als üblich hat sich das Auswärtige Amt (AA) in einem Fall eingeschaltet, an dem Deutsche weder direkt noch indirekt beteiligt sind. Das AA setzt sich für zwei Tschechen ein, die seit dem 12. Januar auf Kuba in Haft sitzen, weil sie zuvor örtliche Oppositionelle getroffen hatten. „Ein Verstoß gegen das Völkerrecht“, findet man in Berlin. Doch Völkerrechtsverstöße gibt es viele in der Welt der Diplomatie, ohne dass in der Vergangenheit ein unbeteiligtes Land wie die Bundesrepublik Anlass zur Intervention sah. Ausnahmen waren allenfalls Menschenrechtsverletzungen von globalem Ausmaß. Deutet sich hier ein Umdenken an?

Gerade Außenminister Fischer sprach in der Vergangenheit zunehmend von einer europäischen Innenpolitik, etwa um die Sanktionen der 14 EU-Staaten gegen Österreich zu rechtfertigen. Dahinter steht die Idee, in einem einigen Europa würde die traditionelle Beschränkung der Außenpolitik auf Fragen nationalen Interesses überflüssig. In dieses Denken passt der Entschluss, dem EU-Anwärter Tschechien diplomatisch zur Seite zu springen. Offiziell will das AA das Experiment nicht zum Vorbild für künftige Aktionen erklären. Zwischen Fischer und seinem tschechischen Amtskollegen gebe es eben enge Kontakte, heißt es, als sei eine diplomatische Intervention kaum mehr als eine Handreichung unter Kavalieren. Zwei Gründe für so viel Bescheidenheit sind denkbar: In Berlin möchte man den Eindruck vermeiden, die Bundesrepublik dränge sich ohne Abstimmung mit den übrigen EU-Partnern nach vorne. Zum anderen richtet sich die Abmahnung des Ministers womöglich nicht nur an den Großen Führer in Havanna, sondern auch an eine Kollegin im Berliner Kabinett. Die Entwicklungshilfeministerin und linke Sozialdemokratin Heidemarie Wieczorek-Zeul zeigte sich von ihrer persönlichen Begegnung mit „Fidel“ stärker becirct, als Fischer, der in Castro eher den Diktator sieht, für akzeptabel hält.

Die Heimatfront hatte offensichtlich auch Verteidigungsminister Rudolf Scharping im Auge, als er den amtierenden US-Botschafter Snell einbestellte: Zu langsam und zu unvollständig würden die USA Informationen zur Uran-Munition herausrücken. Der Minister, selbst unter Druck, brauchte ein sichtbares Zeichen seiner Tatkraft. Geholfen hat es ihm kaum: Weil man Verbündeten die Bloßstellung per Einbestellung tunlichst erspart, ist Washington sauer – und in Regierungskreisen zeigt man sich „überrascht“ von Scharpings Aktion.