Aliens in die Gräben

Der DAAD, seine Führungsqualitäten und andere Aggressionsbedürfnisse: Ein Gespräch über die „Avantgarde der Gemütlichkeit“ im Büro Friedrich

Wer ist der Leiter des Berliner DAAD? Herr Nastansky? Herr Podewils? Oder Friedrich Meschede? Solche Fragen spielen eine Rolle, seit die Kulturpolitik zur Aufgabe eines Staatsministers geworden ist und auch in Berlin über Personalien mehr diskutiert wird als über Inhalte. Gerade deswegen sollte man allerdings den richtigen Namen wissen, wenn man darüber reden will, warum im Kunstbetrieb die falschen Leute auf den entscheidenden Posten sitzen.

Der zitty-Redakteur Marius Babias wusste es nicht. Das war keine gute Grundlage für ein Gespräch über die „Avantgarde der Gemütlichkeit“, das er im Büro Friedrich zu moderieren hatte. Schließlich sollten dort am Sonntag Meschedes schlechte Führungsqualitäten beim DAAD zur Sprache gebracht werden. Thomas Wulffen konnte die Frage auch nicht gleich beantworten – obwohl er Meschede in einem zitty-Artikel letztes Jahr totales Versagen als Leiter des Berliner Künstlerprogramms des DAAD vorgeworfen hatte.

Zum Glück wusste dann Meschede, dass Podewils sein Chef ist und er selbst gar nicht für das Künstlerprogramm, sondern lediglich für den Bereich Bildende Kunst zuständig ist, so wie andere DAAD-Kollegen sich um Literatur, Theater oder Film kümmern. Da hatte Wulffen wohl schlecht recherchiert, das kann passieren. Trotzdem war der Text Anlass für zwei Stunden mühselige Debatte über die Schuld des DAAD an der fehlenden Öffentlichkeit für die von ihm nach Berlin eingeladenen Künstler und Künstlerinnen und dem damit einhergehenden Stillstand im Berliner Kunstdiskurs.

Bei so viel Klärungsbedarf hätte man sich tatsächlich Probleme im Umgang mit Kunst ansehen können: Aufgrund von Geldmangel musste die 2. Berlin Biennale letztes Jahr auf den kommenden April verschoben werden, die Entscheidnung um ein Fotomuseum schleppt sich dahin, der Hamburger Bahnhof ist noch immer ein Monument, aber keine lebendig gestaltete Ausstellungshalle.

Stattdessen wollten Babias und Wulffen lieber wissen, warum Meschede in seinem Haus keine Empfänge für die Neuzugänge gibt. Erklären durfte der Mann vom DAAD die Sachlage allerdings nicht, weil es da „ein Aggressionsbedürfnis gibt, das erst mal entladen werden soll“, wie Babias sagte. Das ist ein ungewöhnliches Selbstverständnis für einen Moderator.

Nach einer halben Stunde Grabenkampf um Innovation und Effizienz, um zu wenig Flexibilität und einen rückständigen Presseverteiler beim DAAD, von dem Wulffen keine Einladungen mehr bekommt, ließ man Meschede dann erzählen. Der war immerhin so gut vorbereitet, dass er in zwei, drei Monologen auf westfälisch-trockene Art die Geschichte des Deutschen Akademischen Austauschdienstes herleiten konnte. Jetzt weiß man, dass der DAAD 1925 von allen deutschen Hochschulen gegründet wurde, 60.000 Stipendiaten unterstützt, die zum größten Teil aus der Wissenschaft kommen, und dass Bildende Kunst zwar nur 0,2 Prozent des Gesamtetats von 450 Millionen Mark verbraucht und dennoch 60 bis 70 Prozent an Presseaufmerksamkeit liefert. Das sind Werte, von denen etwa die Kunstförderung des BDI nur träumen kann. Aber was nützt dieses Wissen, wenn das Problem doch im fehlenden Feedback auf der Künstlerseite liegt?

Während Babias zumindest erwähnte, dass der DAAD nach dem Fall der Mauer seine Aufgabe als Brückenkopf im Kalten Krieg verloren hat und nun eine neue Identität suchen müsste, sprach Meschede von Wohnungen, die für Künstler angemietet werden müssen, damit sie in Berlin auch nach ihrem Stipendium leben können – und davon, wie schwer es ist, für die Kinder von Pawel Althamer einen polnischsprachigen Schulplatz zu organisieren, wenn er demnächst sein DAAD-Jahr antritt. Das zeugt von einiger sozialer Kompetenz, nur für eine Programmatik reicht es nicht.

Am Ende blieben die Erkenntnisse mager. Wulffen, der zu Beginn noch Meschede wegen seiner Gemütlichkeit gescholten hatte, hält den DAAD nunmehr für ein „Ufo“, das fremd und ohne Kontakt zum Umfeld in Berlin gelandet ist. Babias durfte feststellen, dass der DAAD mit oder ohne Meschede ein moderneres Profil braucht, weil sonst die Leute nur noch in Mitte Kunst gucken. Und Meschede – als Alien in Pantoffeln – wird seine Pressearbeit überdenken, weil das dazu gehört, wenn man „Atmosphäre schaffen will“. Die ganze Veranstaltung wurde übrigens auf Deutsch diskutiert, weil kaum ausländische Künstler zum Talk erschienen waren. So ist das mit dem internationalen Austausch in Berlin. HARALD FRICKE