Streiken für Bleiberecht

In Spanien tritt ein neues Ausländergesetz in Kraft. „Papierlosen“ droht sofortige Ausweisung

aus Madrid REINER WANDLER

Naiden, der bulgarische Akkordeonspieler, ist heute erstmals nicht zum Bahnhof Atocha in Madrid gekommen. Aus Angst vor einer Abschiebung ist er in seine Heimat zurückgereist. Naiden ist einer von 30.000 Immigranten, die bei der letzten Regularisierung, als 140.000 Ausländer ihre Papiere erhielten, die Bedingungen nicht erfüllten. Heute tritt das neue Ausländergesetz in Kraft. Wer weiter ohne Aufenthaltsgenehmigung in Spanien lebt, kann im Schnellverfahren ausgewiesen werden. Neben den 30.000 Abgelehnten soll es nach Schätzungen von Caritas in Spanien weitere 250.000 Immigranten ohne Papiere geben.

Die wenigsten wollen nachgeben. Stattdessen mobilisieren die „sin papeles“ seit Wochen. Die Hungerstreiks und Demonstrationen führen Menschen aus Ecuador an. Sie stellen die Hälfte derer, denen seit heute die „Repatriierung“ droht.

Die konservative Regierung unter Aznar bleibt stur. Die Ecuadorianer sollen zu Hause ein Visum beantragen, schlägt der Ausländerbeauftragte Enrique Fernandez Miranda vor. „Wir brauchen Menschen, die mit einem Arbeitsvertrag nach Spanien kommen.“ Sein Vorbild: Die Rekrutierung spanischer Arbeiter in den 60er-Jahren durch Deutschland oder die Schweiz.

Doch obwohl Spanien derzeit ein Abkommen mit Ecuador aushandelt, wonach 30 Prozent aller benötigten ausländischen Arbeiter aus dem Andenland stammen sollen, wollen die Betroffenen darauf nicht eingehen. Sie verlangen eine Sonderregelung, die erlaubt, ihre Papiere in Spanien in Ordnung zu bringen. Statt einzulenken, verstärkt Fernandez Miranda den Druck auf die Immigranten. In der vergangenen Woche forderte er die Gemeinden auf, keine Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung zu registrieren. Damit werden sie von der kostenlosen Gesundheitsversorgung und dem Schulwesen ausgeschlossen.

„Wir brauchen Einwanderer“, gesteht auch Aznar ein. Vor allem in der Landwirtschaft fehlen Arbeitskräfte. Kein Spanier möchte für 50 Mark am Tag Obst und Gemüse ernten. Seit vor Weihnachten ein Zug in Lorca einen Lieferwagen mit ecuadorianischen Landarbeitern überrollte, sind die schlechten Arbeitsbedingungen auf den Feldern Thema. Als die Polizei verstärkte Kontrollen einführte, um die Beschäftigung von Immigranten ohne Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung zu unterbinden, begannen die Proteste der Immigranten.

Auch die Unternehmer beklagen sich. „Ohne ausländische Arbeitskräfte können wir unsere Betriebe schließen“, erklärte ein Sprecher des Bauernverbandes. Was er verschweigt: Nur die Illegalen arbeiten für einen Hungerlohn. Als die Regierung 2000 die Einwandererquote ermittelte, gaben die Landwirte rund um Lorca 400 Menschen an. In Wirklichkeit arbeiten dort über 6.000. Fast alle ohne Papiere.