Genreis jetzt patentfrei

Entwicklungsländer sollen für neue Pflanze keine Lizenzgebühren zahlen müssen. Kritiker halten Biotchnikern vor, nur die Akzeptanz in Industriestaaten erhöhen zu wollen

BERLIN taz ■ Wird über die Grüne Gentechnologie gestritten, ist gleich das Argument zu hören, nur mit ihrer Hilfe sei das Welternährungsproblem zu lösen. Die beiden deutschen Wissenschaftler Peter Beyer, Biochemeiker an der Universität Freiburg, und der in Zürich lebende Ingo Potrykus wollten deshalb ein konkretes Projekt anbieten.

Mit finanzieller Unterstützung des Schweizer Staates und der Europäischen Union entwickelten sie in ihren Gentech-Laboren eine neue Reis-Sorte, die den in Entwicklungsländern weitverbreiteten Vitamin A-Mangel lindern sollen. Vier Gene schleusten sie in das Reisgenom hinein, so dass jetzt auch in den Körnern das für die menschliche Vitamin A-Versorgung notwendige Provitamin A produziert und gespeichert werden kann. Ende letzer Woche übergaben sie dem Internationalen Reisforschungsinstitut (IRRI) auf den Philippinen die ersten Körner ihres „Goldenen Reises“. Sie sollen dazu dienen, die neuen Genen in die in der jweiligen Region angebauten lokalen Reissorten einzukreuzen. Mit diesen Sorten soll dann der Vitamin-Versorgung verbessert werden. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation leiden weltweit bis zu 250 Millionen Menschen an Vitamin A-Mangel. Sehstörungen und eine Schwächung des Immunsystems sind die Folgen.

Die beiden Forscher verbuchen ihr Projekt als humanitären Akt. Denn den Entwicklungsländern soll der von zahlreichen Patenten abgedeckte Gentech-Reis kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Sechs Life Science-Konzerne, darunter die Bayer AG, Monsanto, Syngenta und Zeneca, hätten, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung gestern, „allesamt ihre Patentfreigabe für die entscheidenden biotechnischen Verfahren“ erteilt. Unklar blieb, ob damit alle patentrechtlichen Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt sind. Bisher hieß es immer, das rund 70 Patente berührt werden. Insgesamt sollen etwa 30 verschiedene Patentinhaber involviert sein.

Ganz auf die Patente verzichten wollen aber auch die sechs Multis nicht. Das Abkommen enthält daher zwei wesentliche Einschränkungen: Lizenzgebühren sollen nur für Saatgut entfallen, das in Entwicklungsländern genutzt wird. Sollten aber die Gewinne einzelner Saatgutfirmen in den Entwicklungsländern die 10.000 Dollar-Grenze übersteigen, werden auch hier Lizenzgebühren fällig.

Kritik an dem Vorhaben gab es schon als die beiden Forscher im August 1999 ihr Projekt vorstellten. Die Deutsche Welthungerhilfe hielt es für sinnvoller den Vitamin-Bedarf durch Obst und Gemüse zu decken. Die Schweizer Gentechnikkritikerin Florianne Koechlin verweist auf zahlreiche kleine Projekte, die unter anderem von der Welternährungsorganisation FAO initiiert wurden. „Durch Aufklärung und Ausnutzung der vor Ort existierenden Artenvielfalt konnte extrem kostengünstig die Vitamin-Versorgung verbessert werden“. Sie hält das Vorhaben für ein „riesiges PR-Projekt“, das nur der Akzeptanzbeschaffung für Gentech-Pflanzen diene.

WOLFGANG LÖHR