Westöstliche Diwanmusik

■ Vergesst „Oregon“: Der libanesische Globalmusiker Rabih Abou-Khalil spielte mit seiner Oud und einer bunt zusammengewürfelten Band im Moments

Ein Kreuzritter aus der Schweiz macht auf dem Weg nach Jerusalem auf Malta Zwischenstation, verliebt sich dort, bleibt und züchtet lieber Hühner als Araber zu töten. Mit solchen märchenhaften Ansagen amüsiert Rabih Abou-Khalil sein Publikum zwischen seinen Stücken, und so ganz nebenbei umschreibt er mit seinen Geschichten auch seine Musik. Die Vermischung von Ost und West, die Liebe, das Spirituelle und das Profane, die übermütige Fabulierkunst und der Witz – die Mischung von all dem zeichnet auch die ganz eigene Kunstfertigkeit aus, mit der dieses Quintett zu Werke geht.

Der libanesische Oudspieler, der seit Beginn des Bürgerkriegs 1978 in Deutschland lebt, vermischt hier so feinfühlig und organisch traditionelle arabische Musik mit westlichen Spieltechniken und -formen, dass jede Definition plump wirkt. Die Art des Zusammenspiels, die Improvisationen, die Instrumentierung kommt sicherlich vom Jazz. Aber darauf möchte man die Gruppe, wenn man sie – wie jetzt beim Sparkasse-in-Concert-Auftritt im Moments – selbst erlebt hat, ebenso wenig festlegen wie auf den Allerweltstitel „Weltmusik“.

Die Grundstimmung dieser Musik ist eindeutig mediterran – eine gelassene Weltläufigkeit ist da durchgängig zu spüren. Das ruht alles auf alten, sonnenbeschienenen Fundamenten. Auf den ersten Blick scheinen alle Musiker außer Abou-Khalil einen Kontrapunkt zu dieser Kultur zu bilden: ein Tubaspieler, ein Schlagzeuger, ein Klarinettist und ein Cellist – was haben die mit arabischer Musik zu tun? Bei seinem Auftritt vor zwei Jahren hatte Abou-Khalil noch einen arabischen Rahmentrommler in seiner Band, aber auch den braucht er jetzt nicht mehr, um sein Klangideal in einer Gruppe zu realisieren.

Da ist der französische Tubaspieler Michel Godard, der die Basslinien sehr warm und organisch bläst, aber auch mal kräftig bei den Soli seiner Mitspieler dazwischenhupen kann. Der Cellist Vincent Courtois kann sein Instrument jazzig, klassisch, schmeichelnd oder spröde klingen lassen, und sein voller Sound bildet einen immer spannenden Kontrast zu Abou-Khalils eher zart klingender arabischer Laute. Der Klarinettist Gabrielle Mirabassi gibt der Musik eine Prise von Balkan und Klezmer, während der amerikanische Schlagzeuger Jarrod Cagwin durch eine erstaunliche rhythmische Vielfalt beeindruckt. Alle fünf Musiker sind begnadete Improvisatoren, und sie schienen einen fliegenden Klangteppich voller Ornamente, Verzierungen und immer verwegener werdender Figuren zu weben. Jeder hatte viel Freiraum für seine Soli, Abou-Khalil hielt sich dabei eher zurück, war aber immer eindeutig der Boss auf der Bühne.

Am ehesten könnte man diese Band noch mit dem amerikanischen Quartet „Oregon“ vergleichen, das sich bemüht, eine ähnlich globale Musik zu machen. Aber wenn man sieht, wie sich bei Rabih Abou-Khalil die Musiker zurücknehmen können und wie leicht hier die kompliziertesten Läufe und Wechsel klingen, dann kommen einem Ralph Towner und seine Mannen doch sehr angeberisch und schwerfällig vor. Rabih Abou-Khalils Musik schwebt über alle Stilgrenzen und Kategorien dahin. Sie lässt uns sanft angeregt, unterhalten und schließlich begeistert auf dem westöstlichen Diwan ruhen.

Wilfried Hippen