Im Ypsilon gesprungen

■ Streit um Y-Trasse zwischen Hamburg, Bremen und Hannover: Milliarden für mehr Güterverkehr

Seit gut acht Jahren macht sich ein großes Ypsilon in den Streckenplänen der Deutschen Bahn AG breit: Eine Hochgeschwindigkeitstrasse mit drei Ausläufern in Ypsilonform Richtung Hannover, Hamburg und Bremen. Und drei mögliche Varianten für die genauen Trassenverläufe. Eine erste Vorentscheidung im umstrittenen Raumordnungsverfahren liegt jetzt vor. Die Bezirksregierung Lüneburg plädiert für die Variante Nummer 1. Sie ist rund 2,5 Milliarden Mark teuer und könnte später einmal quer durch mehrere Naturschutzgebiete führen (die taz berichtete). Eine endgültige Entscheidung wird aber erst im März erwartet.

Allerdings ist seit der ersten Idee vom Ypsilon das „größte Verkehrsbauwerk Niedersachsens“ mittlerweile heftig umstritten. Alle drei Varianten mit Längen zwischen 70 und 90 Kilometern zerschneiden Naturschutzgebiete und verschlingen Riesensummen. Zwar ist die von Lüneburg favorisierte Strecke erst mal die billigste und damit vermutlich die machbarste Variante. Trotzdem spricht der Verkehrsclub Deutschland (VCD) von einem „milliardenschweren Fehlprojekt“. Die Bahn lässt sich die Trasse aus Steuergeldern finanzieren, um Geld im Fernverkehr zu verdienen, so VCD-Sprecher Michael Frömming: „Aber das Geld wird ganz woanders benötigt, nämlich im Schienen-Nahverkehr.“

Auch Bürger-initiativen wie in der Samtgemeinde Schwarmstedt kündigten gestern Proteste an. Denn die billigste Lösung verbraucht wesentlich mehr Fläche. Wertvolle Biotope und Naturschutzgebiete würden zerschnitten, Touristen könnten in Zukunft ganz fortbleiben. Dafür gäbe es für die Anwohner deutlich mehr Lärm.

Wofür also die milliardenschweren Investitionen? Der Bremen Senat zumindest erhofft sich vom Ypsilon-Projekt eine „Entmischung“ der langsamen Güterzüge vom schnellen Fernverkehr. Schon jetzt seien die Strecken im Güterbereich „hart an der Grenze der Leistungsfähigkeit“, meint Wolf-Rüdiger Szebrat vom für den Fernverkehr zuständigen Häfenressort. Das Ziel, „mehr Güterverkehr auf die Schiene“, sei ohne Ausbau nicht zu bewerkstelligen. Für die Strecke Hamburg – Hannover sieht der Güterstau noch schlimmer aus, berechneten die Grünen in Niedersachsen: Auf dieser Strecke wird bis 2015 eine Steigerung von 73 Milliarden auf 120 Milliarden Tonnenkilometer erwartet.

Der Personenverkehr dagegen wird nur nebenbei profitieren. Nach Angaben des Häfenressorts könnten Pendler zwischen Bremen und Hannover auf der Y-Trasse maximal acht Minuten sparen, zwischen Hamburg und Hannover liegt die Zeitausbeute bei maximal 13 Minuten. Wenn die Züge überhaupt konstant 300 Stundenkilometer schnell sausen würden.

Noch fahren nur alle zwei Stunden ICEs zwischen Bremen und Hannover, kritisiert Frömming vom VCD. Da lohne sich der Aufwand für eine hochgelegte Schnelltrasse nicht. Außerdem würde der „Bremer Ast“ der Schnellstrecke vor Langwedel enden – im „Flaschenhals“, wenn nicht endlich ein lang gefordertes drittes Gleis von Verden bis zum Hauptbahnhof gelegt wird. Die niedersächsischen Grünen vermissen außerdem Pläne für die Bahnstrecke Hamburg – Bremen im aktuellen Raumordnungsverfahren. Denn auch auf dieser Verbindung sei bald die Kapazitätengrenze erreicht – deren Ausbau müsse deshalb in die Bewertung der Y-Trasse mit eingehen.

Der Vorschlag der Kritiker (BUND, VCD, Grüne, Bürgerini-tiativen): statt der Miliardentrasse ein Ausbau der vorhandenen Stre-cken. Aber das ginge nicht nicht durchgängig mit zwei neuen Gleisen wie beim Ypsilon, und die vorhanden Trassen führen mitten durch die Wohnbebauung. Die Bahn übrigens sagt zu alldem gar nichts: Der Bundesverkehrswegeplan und der Bedarfsplan, aus denen sich Mittel für die Bauprojekte ableiten, werden derzeit überarbeitet. Bis möglicherweise 2003. Bis zum Bau der Ypsilon-Trasse werden ohnehin noch Jahre ins Land gehen. pipe