american pie
: Die NHL floriert, Sorgen bereiten Kanadas Teams

Das Herz und die Seele

Oh and as I watched him on the stage

Für fast jede Frage pflegt Gary Bettman die richtige Antwort parat zu haben, natürlich auch für die nach seiner liebsten Fernsehshow: „Jedes beliebige NHL-Match.“ Zwölf Jahre lang hatte der Commissioner der National Hockey League bei David Stern, dem Boss der Basketball-Liga NBA, studiert, wie man einen notleidenden Sport aufpäppelt, bevor er sich selbst an diese Aufgabe wagte. Seit acht Jahren ist er nunmehr der Spiritus Rector der Eishockey-Liga, und bevor am 4. Februar in Denver die amerikanischen gegen die europäischen NHL-Cracks zum All-Star-Match antreten, klingt die Bilanz, die Bettman für seine bisherige Amtszeit zieht, recht zufrieden: „Ich bin sehr optimistisch für die Zukunft. Wir haben Fußspuren hinterlassen, die unsere Marke ins Rampenlicht stellen.“

Das grandiose Comeback des 35-jährigen Mario Lemieux, der in 12 Spielen seit seiner Rückkehr schon elf Tore für die Pittsburgh Penguins erzielt hat, war nur das Sahnehäubchen auf der Entwicklung einer Liga, die in der letzten Saison durch den Rücktritt des populären Superstars Wayne Gretzky zwar einen Rückschlag hinnehmen musste, aber dennoch floriert.

War die Liga 1990 in elf Märkten vertreten, sind es jetzt 22, die beiden neuesten Teams, Columbus Blue Jackets und Minnesota Wild, spielen in ausverkauften Hallen. Die Sponsoreneinnahmen stiegen seit 1991 von 25 Millionen Dollar auf 350 Millionen. Dramatisch verbessert hat sich auch die TV-Präsenz, das größte Problem des rasanten Sports mit dem winzigen Spielgerät. Von 1975 bis 1995 war die NHL ohne Fernsehvertrag, und noch vor zehn Jahren fand sich kein Sender für die Übertragung der Spiele um den Stanley Cup. Mittlerweile hat die NHL einen TV-Kontrakt über 600 Millionen Dollar, und die verbesserte Übertragungstechnik trägt Früchte. In der letzten Saison stiegen die Einschaltquoten bei ABC um 22 Prozent.

Zunehmend populär wird der Sport bei der begehrten Zielgruppe der jungen Sportfans, besonders weiblichen Geschlechts. In der Altersgruppe der männlichen Fans zwischen 18 und 34 ist Eishockey sogar führend. Immer häufiger tauchen Eishockeyprofis in Werbespots und Anzeigen auf. Grund für den Popularitätsschub ist neben der Ausbreitung der Liga in völlig eisunverdächtige Gegenden wie Arizona, Florida, Carolina, Georgia oder Tennessee eine gewisse Zivilisierung des Sports, die vor allem dem Einfluss der Europäer zugeschrieben wird, die mehr als in jedem anderen US-Sport das Bild bestimmen. In den letzten acht Spielzeiten, so Bettman, seien die Schlägereien auf dem Eis um 28 Prozent zurückgegangen.

Einen weiteren Markt hat der 48-Jährige bei der schwarzen Bevölkerung ausgemacht. 15 schwarze Profis gibt es schon in der NHL, und die Liga betreibt ein Programm zur Förderung des Sports in den schwarzen Vierteln der Großstädte.

Je universaler sich die NHL präsentiert, desto schlechter sieht es in der Wiege des Sports aus. Die verbliebenen kanadischen Klubs fristen ein karges Dasein, gebeutelt von Steuergesetzgebung und der Schwäche des kanadischen Dollars. Momentan stehen die traditionsreichen Montreal Canadiens zum Verkauf, und die Befürchtungen sind groß, dass die interessierten US-Unternehmen das Team in die USA transferieren könnten. „Die Canadiens gehen nirgendwo hin“, sagt Gary Bettman kategorisch, und nennt die Erhaltung der sechs kanadischen Teams neben einer fanfreundlichen Gestaltung der Ticketpreise als seine oberste Priorität. „Kanada ist das Herz und die Seele des Spiels.“ Dass ausgerechnet die Investorengruppe um das kanadische Idol Wayne Gretzky keineswegs die Montreal Canadiens erwerben will, sondern die Phoenix Coyotes, deutet allerdings darauf hin, dass auch im Eishockey Herz und Seele nicht alles sind. MATTI LIESKE