Korruption schwächt Japans Premier

Wirtschaftsminister Nukaga muss nach nur sechswöchiger Amtszeit wegen eines Korruptionsskandals zurücktreten. Oppositionsparteien einigen sich auf Plattform gegen Korruption und wittern Chancen für die nächsten Wahlen

TOKIO taz ■ Eigentlich wollte Fukushiro Nukaga gestern Richtung Davos abfliegen, um als einziges japanisches Regierungsmitglied am dortigen Weltwirtschaftsforum teilzunehmen. Doch stattdessen gab der erst seit sechs Wochen amtierende Wirtschaftminister mit einer tiefen Verbeugung seinen Rücktritt bekannt. Denn Nukaga gilt als Schlüsselperson in einem Korruptionsskandal, der seit seinem Bekanntwerden Mitte Dezember drei hochrangigen Politikern der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) zum Verhängnis wurde. Sie sollen Schmiergelder der KSD-Stiftung eingestrichen haben, die kleine und mittlere Betriebe unterstützt. Nukaga wird vorgeworfen, rund 260.000 Mark erhalten zu haben.

Für den laut Meinungsumfragen ohnehin schon äußerst unpopulären Premierminister Yoshiro Mori ist der Skandal besonders peinlich, weil die beschuldigten LDP-Politiker und Nukaga zu seinen engsten Mitstreitern in der Partei zählen. Und Nukaga ist bereits schon der dritte Minister, der seit Moris Amtsantritt im vergangenen April wegen eines Skandals aus dem Amt scheiden musste.

Der 56-jährige Nukaga, der als Enkel des ersten Nachkriegspremiers Shigeru Yoshida aus einer einflussreichen Politikerfamilie stammt, war in der LDP als Nachwuchspolitiker für die Führung des Landes aufgebaut worden. Seine Nachfolge als Wirtschaftsminister übernimmt jetzt der konservative LDP-Politiker Taro Aso. „Damit sind wirtschaftspolitische Reformen vorläufig auf Eis gelegt“, kommentierte der Politikprofessor Hiroshi Kawahara von der einflussreichen Waseda-Universität.

Die Skandale der Regierungspartei vermochten die Opposition zu einigen. Bereits letzte Woche beschlossen die drei wichtigsten Oppositionsparteien – Demokratische Partei (DPJ), Kommunisten (JCP) und Sozialdemokraten (SDPJ) – bei den für Juni erwarteten Wahlen mit einer gemeinsamen Plattform gegen Korruption und staatliche Stimulierungsprogramme anzutreten. Von diesen profitiert vor allem die Bauindustrie in ländlichen Regionen, die ihrerseits die LDP unterstützt.

Der Schulterschluss der Opposition ist für Japan ungewöhnlich und deutet darauf hin, dass die Tage der LDP-Regierung gezählt sein könnten. Die Partei ist seit 1955 fast ununterbrochen an der Macht. Nur 1993 wurde sie für knapp ein Jahr in die Opposition verbannt, nachdem sich einige LDP-Politiker abgespalten und neue Parteien gegründet hatten.

Korruptionsskandale haben Japans LDP schon oft erschüttert. Mehrere Premierminister mussten deswegen zurücktreten. Der spektakulärste Fall war die Verwicklung von Premier Kakuei Tanaka in den Lockheed-Skandal 1976. Tanaka wurde später trotz des Skandals zum Königsmacher der Partei und beeinflusste die japanische Politik bis kurz vor seinem Tode. Seine Tochter Makiko Tanaka sitzt heute als eine der beliebtesten Politikerinnen im Unterhaus. Im Gegensatz zum Vater und vielen LDP-Politikern der alten Garde gilt sie jedoch als vehemente Gegnerin von Korruption und Vetternwirtschaft. ANDRÉ KUNZ