Schanghai wird wie Wuppertal

Wie die Schwebebahn soll der Transrapid der reichsten Stadt Chinas zu mehr Glanz verhelfen. Der 2,5-Milliarden-Mark-Vertrag ist unterzeichnet

aus Schanghai GEORG BLUME

Der Jubel unter den Deutschen war groß. Von einem „historischen Ereignis“ sprach Hans-Dieter Bott im Schanghaier Rathaus. Dort hatte der kaufmännische Bereichsvorstand von Siemens Transportation Systems am Dienstagmorgen seine Unterschrift unter den 2,5 Milliarden Mark schweren Bauvertrag für einen deutschen Magnetschnellzug in der chinesischen Hafenmetropole gesetzt. Damit steht erstmals schwarz auf weiß fest: Der tolle teure Transrapid wird tatsächlich gebaut, und zwar nicht nur wie bisher für Testfahrten.

Nun hätte man gerne auch die Chinesen jubeln sehen. Doch seltsam: Es blieb auch gestern bei der seit Wochen in China bestehenden Nachrichtensperre zum Thema Transrapid. Nur die englischsprachige Schanghai Daily, die kaum heimisches Publikum erreicht, berichtete vom bevorstehenden Vertragsabschluss mit den Deutschen. Darin aber spiegeln sich die immer noch bestehenden Unsicherheiten des Projekts: Wie werden die Chinesen auf den Bau des modernsten Zugs der Welt in Schanghai reagieren? Werden sie ihrer Regierung stolz applaudieren oder sie empört unnötiger Angeberei zeihen? Offenbar verschweigen die Regierenden in Peking und Schanghai das Ganze lieber.

„Unfassbar“ – so empfindet Professor Wei Maoping, ein Germanist am Schanghaier Fremdspracheninstitut, als er gestern vom geplanten Luxus-High-Tech im Entwicklungsland China erfährt. „Kaum ist man eingestiegen, muss man wieder aussteigen“, wundert sich der Laie über die geplante 30-Kilometer-Strecke von einem Schanghaier U-Bahnhof zum neuen Flughafen der Stadt, auf der die Fahrzeit nur acht Minuten betragen wird. Doch bedarf es 2,5 Milliarden Mark für acht Minuten Fahrzeit? So wie Wei würden sich die meisten Chinesen wundern.

Zudem geht es augenscheinlich um mehr. „Das ist keine Flughafenanbindung, sondern eine Demonstrationsstrecke für den normalen Fahrgastbetrieb“, erklärt Siemens-Vorstand Bott und träumt bereits vom nächsten Auftrag: Schanghai–Peking, 1.300 Kilometer. Dann würde es ernst. Schon hat der Schanghaier Bürgermeister mit ihm, Bott, über eine Machbarkeitsstudie für die Teilstrecke Schanghai–Hanzhou, 200 Kilometer, gesprochen. Das klingt logisch. Und doch wäre es Schanghai zuzutrauen, einen Transrapid nur zu Vorführzwecken zu bestellen. „Perle des Orients“, „Paris des Ostens“ – Chinas reichste Stadt war schon immer in sich selbst verliebt. Ein Zukunftssymbol wie der Transrapid wäre für Schanghai vor allem dann von unbezahlbarem Wert, wenn es den Zug nirgendwo anders gäbe. Denn keine Bahn hat eine Stadt seit hundert Jahren so verzaubert, wie die einzigartig gebliebene Schwebebahn Wuppertal.

Dass es trotzdem um mehr geht als nur um Show, dafür spricht ein Name: Zhu Rongji, der pragmatische und zuverlässige Pekinger Reformpremier, gilt als stärkster Befürworter des Transrapid auf chinesischer Seite. Parteiinterne Gegner nennen den Zug Zhus persönliches Projekt. Diese Sichtweise liegt nahe, weil Zhu einst selbst als Bürgermeister von Schanghai reüssierte. Zudem ist die Fertigstellung des Baus im Frühjahr 2003 vertraglich so terminiert, dass der Premier, der voraussichtlich im März 2003 sein Amt abgibt, auch an der Folgeentscheidung über eine Streckenverlängerung beteiligt ist. Aber werden sich Siemens und ThyssenKrupp auch dann noch auf Zhu verlassen können? Xu Jian, Büroleiter der Unternehmensberatung Roland Berger in Schanghai, ist optimistisch: „Wir schaffen mit dem Transrapid, was in Deutschland niemand wagte.“ Aber auch er muss zugestehen: „Die symbolische Bedeutung des Transrapid ist viel größer als die praktische.“

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