„Ich fürchte keine Konsequenzen“

Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Niedersächsischen Landtag, will sich weiterquer legen. Ohne Widerstand und Sachkenntnis wird sich in der Entsorgungsfrage nichts bewegen

taz: Der Parteirat der Grünen hat sich gegen Blockadeaktionen bei Castor-Transporten ausgesprochen. Hat Sie das überrascht?

Rebecca Harms: Überrascht hat mich der Beschluss nicht mehr wirklich. Ich halte ihn dennoch für völlig falsch. Denn anders als der Parteirat halte ich es für unbedingt notwendig, den Widerstand gegen Atomtransporte im Landkreis Lüchow-Dannenberg fortzusetzen. Für uns Grüne wie für die Bürgerinitiativen waren die Gorleben-Transporte schließlich immer Anlass, auf alle Probleme des atomaren Kreislaufs oder der Atomwirtschaft hinzuweisen. Wir sind für den Atomausstieg auf die Straße gegangen und haben uns dafür eingesetzt, dass verantwortliche Lösungen für die Endlagerung von Atommüll gefunden werden. Beim Entsorgungsproblem ist die rot-grüne Bundesregierung aber kaum weitergekommen. Es gibt keine ernsthaften Hinweise dafür, dass jetzt tatsächlich Alternativen zu dem ungeeigneten Endlagerstandort Gorleben gesucht werden. Gorleben ist nach wie vor neben Schacht Konrad einziges festes Endlagerprojekt. Und dies wird ohne Proteste in der Region auch so bleiben.

Ihre Partei regiert nun aber in Berlin mit und verantwortet auch den nächsten Gorleben-Transport.

Durch den Atomkonsens ist doch die Akzeptanz für die Transporte nicht von null auf hundert gewachsen, auch wenn der Konsens weitere Transporte für notwendig erklärt. Es ist richtig, hier im Widerspruch zur eigenen Bundesregierung zu stehen. Ohne eine massive Auseinandersetzung wird sich in der Entsorgungsfrage nichts bewegen. Auch in der Spitze der Grünen, die nun nationale Verantwortung für die Entsorgung übernehmen will, gibt es doch niemanden, der den Atommüll aus Frankreich in seinem Bundesland aufnehmen will oder gar alternative Endlagerstandorte, andere Salzstöcke oder Granitformationen anbieten würde. Das sehe ich weder bei Fritz Kuhn aus Baden-Württemberg noch bei Claudia Roth aus Bayern und auch nicht bei Kerstin Müller aus Nordrhein-Westfalen. Da wird sehr oberflächlich mit der Verantwortung für die Entsorgung umgegangen. Da heißt es nur, irgendwo muss das Zeug am Ende doch hin, und dieses Irgendwo trägt im Zweifelsfall den Namen Gorleben.

Die niedersächsischen Grünen sollen sich also dagegen wehren, dass ihr Bundesland alleiniges Atomklo wird?

Ja, wir haben nicht nur eine lange Tradition des Widerstandes gegen die Endlager Gorleben und Schacht Konrad, sondern auch ein größeres Wissen über diese Standorte – etwa über die katastrophale Geologie des Gorlebener Salzstocks. Über die Auseinandersetzungen um Gorleben ist in Niedersachsen der erste grüne Landesverband entstanden. Noch bis gestern hat die ganze Partei bruchlos die Auffassung vertreten, dass der Standort Gorleben ungeeignet ist und aufgegeben werden muss. Es deutet aber nichts darauf hin, dass diese Forderung durch den Konsensvertrag eingelöst wird. Die niedersächsischen Grünen haben die Aufgabe, hier weiter Druck zu machen.

Wie verhalten Sie sich, wenn am 27. März der Transport tatsächlich in Lüchow-Dannenberg ankommt?

Wie in den vergangenen Jahren auch werde ich die Proteste unterstützen. Das heißt dann, auf der Straße zu sitzen oder mit Rechtsanwälten bei Polizeieinsätzen zur Stelle zu sein und natürlich vor Ort gegenüber den Medien für den Protest zu werben. Gerade im Kontext der oberflächlich geführten aktuellen Gewaltdiskussion ist es richtig, darauf zu beharren, dass die Mittel des zivilen Ungehorsams in einer Demokratie ihre Berechtigung haben.

Wird sich auch der Grünen-Landesverband an den Protesten beteiligen?

Der Landesverband hat seit seiner Gründung jede Demonstration der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg unterstützt. Ich glaube nicht, dass die Ergebnisse des Atomkonsenses ausreichend sind, um diese Haltung zu ändern.

Fürchten Sie Konsequenzen, wenn sie trotz des Parteiratsbeschlusses auf die Straße gehen?F

Ich fürchte keine Konsequenzen, ich werde weiter für meine Position in der Partei streiten. INTERVIEW: JÜRGEN VOGES