Charmante Kriegsgöttin

■ Dem Erfolgsrapper „Eminem“ sei Dank: Die Ex-„Faithless“-Sängerin Dido ist am Mittwoch solo im Grünspan zu Gast

Am Anfang stand ein Brief: „Wir mögen dein Album und haben einen Track benutzt. Hoffen, es stört dich nicht. Und hoffen, du magst es.“ Und wie: Ihre erste Strophe aus „Thank You“, einem charmanten Liebeslied aus dem verregneten London, wurde zum Refrain der Fan-Story „Stan“ des Detroiter Rappers Eminem. Und damit zum Nummer-Eins-Hit. Eine ungeahnte Promotion für die 29-jährige Dido Armstrong.

„Es war einer dieser Songs, den ich innerhalb von ein paar Minuten geschrieben hatte“, wehrt sie allzu große Lobeshymnen ab. Und kokettiert augenzwinkernd mit ihrer musikalischen Vergangenheit. Da ist ihr Bruder Rollo, mit dem sie gemeinsam in London aufwuchs. Und der sie ins Schlepptau nahm, indem er ihr Platten von Duran Duran bis Ella Fitzgerald vorspielte. Dido, benannt nach einer afrikanischen Kriegsgöttin, lernte mit sechs Jahren Piano und Violine, spielte in klassischen Ensembles. Sie sang im Chor der Westminster Abbey, später in verschiedenen Londoner Bands.

Auch auf einem Projekt ihres Bruders Rollo wirkte sie mit. Die Band hieß Faithless und ihr Debut-Album Reverence sollte sich über fünf Millionen Mal verkaufen. Eine grundlegende Veränderung für Dido, die damals für einen Buchverlag arbeitete und nebenbei Jura studierte. Sie widmete sich ausschließlich ihrer Musik, unterschrieb einen Plattenvertrag und produzierte und schrieb mit Bruder Rollo ihr Solo-Debüt No Angle. Ein wunderbares Album mit feinem Songwriting über subtilen elektronischen Beats, das an so vieles erinnert – von 60er-Jahre-Klassikern über Enya bis Massive Attack – und doch zu eigenständig ist, um irgendwie altbacken zu klingen.

Die Hoffnungen der Plattenindustrie waren groß im Sommer 1999. Die erste Single „Here With Me“ wurde mit einem halbe-Million-Dollar-Video an den Start geschickt – und floppte, zumindest in den Air-Play-Charts. Die großen Musiksender zeigten wenig Interesse, das Prinzip Faithless-Fahrwasser griff nicht. Dido tourte und erspielte sich eine wachsende Zahl von Fans. Die EP The Highbury Fields erschien. Mühsame Tage.

Und dann Eminem. Es dürfte wohl derzeit keine lautere Art geben, ins Bewusstsein der Pop-Öffentlichkeit zu treten. Ein einziges Sample reichte, den Promotion-Feldzug noch einmal von vorne zu starten: ein neues Video zu „Here With Me“, und das Musik-TV war begeistert. Ihr Album erschien in runderneuerter Optik und stieg neu in die Charts ein. So merkwürdig kann Pop funktionieren. Verdient hat Dido es allemal.

Volker Peschel

mit Tom McRae: Mittwoch, 21 Uhr, Grünspan