Zugfahrt mitten ins Herz

■ Der Magen klingt wie kochendes Wasser, das Auge hat eine Haut: Körperkunde soll Kindern das „Abenteuer Körper“ zeigen

„Das klingt wie ...“, Paul muss überlegen, noch einmal horchen, „wie, als wenn es kocht“. Was Paul da meldet, sind Nachrichten aus dem Bauch seines Freundes Maxi. Mit dem Stethoskop horcht er, wie Herz und Magen klingen, sucht das Herz neben dem Bauchnabel, findet es ein bisschen höher, „als ob ein Zug fährt“, beschreibt er. Die Entdeckungsreise der beiden Zweitklässler der Schule bei der Katharinenkirche nennt sich „Körperkunde“ und ist eine Idee der Ärztin Ute Harte.

Die Allgemeinmedizinerin, die in einer Gemeinschaftspraxis mit Kinderärzten arbeitet, ist immer wieder entsetzt, wie wenig die Menschen über sich wissen, „viele haben keine Ahnung, dass sie zwei Nieren haben oder wo die Leber sitzt“. Als dann vor zweieinhalb Jahren ihr Sohn zur Schule kam und sie die vielen dicken und unbeweglichen Mitschüler kennenlernte, „hat mich das nachdenklich gemacht“. 1975 seien noch vier Prozent der Schüler übergewichtig gewesen, heute seien es 20 bis 30. Und genau das sei die Grundlage für spätere Herz-Kreislauferkrankungen sowie für Gelenk- und Rückenerkrankungen. Aus ihren Gedanken wurde das Konzept „Gesund und munter“, das der Primärprävention dient. „Für Jugendliche gibt es viele Angebote, aber ich denke, bevor man ein Problem hat, sollte man erstmal wissen, was da ist.“

Deshalb besucht sie Grundschulen und lässt die Kinder ihre Körper entdecken. Sie erklärt, welche Reise durch den Körper ein Bissen Brot macht, lässt Kinder riechen, fühlen, schmecken. „Es ist toll, wie interessiert die Kinder sind und wie präzise sie beschreiben können“, sagt die Ärztin.

In der Sporthalle jagen Paul, Maxi und ihre elf Mitschüler derweil einander. Auf Kommando rennen wieder alle zurück zu ihren Stethoskopen und horchen, was Brückenkriegen mit dem Puls macht: „Das hört sich jetzt viel schneller an, wie ein Propeller“, berichtet Maxi aus Pauls Inneren. Die beiden finden, „das sehr interessant“, besonders „das mit der Haut“, sagt Paul. Am frühen Morgen stand nämlich die Haut auf dem Körperkunde-Lehrplan. „Ich wusste nicht, dass man auch auf dem Auge eine Haut hat“, gibt Maxi zu.

Die Kinder haben erfahren, was Puls ist, wie das Herz das Blut durch den Körper pumpt, mal langsamer und mal schneller. Auch zum anschließenden Messen und Wiegen treten sie – fast alle – begeistert an.

Immer mehr Schulen wollen Ute Harte für einen Vormittag „Körperkunde“ buchen. „Aber ich kann nicht so oft, habe ja die Praxis“, meistens verbringt sie Freitage in Schulen, denn da hat sie eigentlich frei. Inzwischen hat sie eine Projektgruppe gegründet, in der fünf weitere Ärztinnen mitmachen. Sie bekommen keinen Pfennig für ihre Arbeit, „auf Dauer geht das nicht“, müssten wenigstens die Sachkos-ten bezahlt werden.

Die Hamburger Ärztekammer unterstützt das Projekt und leitet Anfragen an Ute Harte weiter. Die will am liebsten allen zeigen, „was der Körper für ein Wunder ist“.

Sandra Wilsdorf