Zwei Meilen unter dem Meer

■ Von unterirdischen Energiequellen, dinosaurierzerstörenden Vulkanausbrüchen und einer neuen Maschine: ein Massenspektrometer im Auftrag der Ozeankundler

Das neue an der Uni ist nicht viel mehr als ein kleiner Schrank und Labor, zwei Millionen Mark teuer. Ein Massenspektrometer wie es viele gibt. Die meisten nur nicht so genau, um noch millionste Teilchen (parts per million) aufzuspüren. Und die damit vielleicht die Geheimnisse der Vulkane am Meeresgrund lüften könnten: Ob sie die Energiequelle der Zukunft sind, und ob sie schon vor Jahrmillion verantwortlich waren für das Dinosaurier-Sterben.

Die Petrologen (Gesteinskundler) und Vulkanologen der Bremer Uni jedenfalls haben jetzt eins – ein „ICP-IMS“ Labor, zu deutsch: Massenspektrometer – eine Art technische Endstation für die Funde vom Meeresboden. Dort hinein sollen einmal tausend Gesteinsbrocken aus der Tiefe, die jetzt noch in Kisten lagern, die aber irgendwann zermahlen und stundenlang in Säure gekocht werden, um anschließend von der neuen High-techmaschine analysiert zu werden. Herauskommen soll dann eine Bestandsliste chemischer Elemente, die wiederum Aufschluss geben soll über die Prozesse im Erdinnern.

Besonders interessant für den Petrologen und Professor Colin Devey von der Uni sind die speienden Vulkane am Meeresgrund. Die Hälfte des Energieverbrauchs der Menschheit ließe sich aus der Tiefe füttern. Aber: Wie umweltfreundlich wäre die neue Energiequelle. Vielleicht wäre die Zerstörung unter Wasser weit schwerwiegender als mögliche überirdische Super-gaus? „Bis zu meiner Pensionierung will ich diese Frage beantworten haben“, sagt Devey. 40 Jahre wird er alt. „25 Jahre habe ich noch Zeit.“ Also zieht er und sein Team alle Jahre wieder raus, um in engen Kapseln abzutauchen und Basaltbrocken aus der Tiefsee zu schürfen.

Zurück in Bremen sollen die zertrümmerten Steinchen ab sofort durchs Massenspektrometer geschickt werden. Die Analyse des Vulkangesteins könnte klären, wie alt die Steine sind, wie sie sich ihre chemischen Bestandteile im Lauf von Jahrmillionen verändert haben, welchen Einfluss das auf das Meerwasser hat und ob und wann längst erloschene Vulkane noch mal wieder spucken. So ließe sich ergründen, wie sich die Lebenswelt da unten zusammensetzt. Und inwieweit man die zerstören würde, wenn man die Vulkanenergie auf dem Erdboden einsetzt.

Jetzt liegt ein fetter Brocken Vulkangestein vor Devey auf dem Tisch. Schwer ist er und sieht aus wie Schildkrötenpanzer. Für einen Petrologen wie Devey ist die Schildkrötenschicht nichts als schwarzes Glas – unter großer Hitze zusammengeschmolzenes Magma. Im Querschnitt zeigt sich das Stück Ozeankruste völlig porös und voller Ritzen, in die das Meereswasser eindringt. Dabei wird es praktisch nebenbei gefiltert. Und das ist auch gut so, erklärt Professor Devey. In einer Million Jahren wird so das ganze Ozeanwasser einmal grundgereinigt.

Trotzdem steht Colin Devey ein bisschen unter Zeitdruck. Er will schneller forschen als irgendeine Energiefirma, die demnächst im Ozean tauchen, und so vielleicht eine kostengünstige Vulkan-Heizquelle im Pazifik belegen könnte. Zwar sei die Energie aus der Tiefsee erst der Anfang einer Idee. Aber die Vulkane da draußen im Meer „gehören ja niemandem, keine Regierung kann da irgendwas verbieten“, meint Devey. Da gibt es nur ein internationales Kommitee von Wissenschaftlern, die was dagegen hätten, und dessen Sitz Devey in ein paar Jahren gern nach Bremen holen möchte. Die Bakterien da unten an den heißen Quellen könnten den energietechnischen Eingriff möglicherweise nicht überleben, fürchtet Devey. Das wiederum hätte schwerwiegende Folgen: Möglicherweise wird es keine Plankton-Produktion mehr geben, keine Lebewesen im Ozean, undsoschrecklichweiter.

Schließlich hatten vor zig Millionen Jahren die Vulkane schon mal das Klima erschüttert. Nach Deveys Theorie wurden damals in Indien die Dinosaurier vom heißen Magma „weichgekocht – mindestens“. Das waren zwar überirdische Vulkane, deren Dauerhitze samt beständig verdampfender Regen das Klima torpediert hätten. Aber auch unter Wasser ist ihr Einfluss kaum geringer. pipe

Tiefsee-Infos und Fotos der Bremer Uni unter www.ozeankruste.de