Treffen mit den NGOs gehören dazu

Frankreichs Regierung wird sowohl auf dem Wirtschaftsforum als auf dem Weltsozialforum präsent sein

PARIS taz ■ Wenn sich Nichtregierungsorganisationen (NGOs) treffen, dürfen Regierungen nicht fehlen. Zumindest die gewieften französischen Rot-Rosa-Grünen nicht. Sie schicken heute sowohl zwei Minister nach Davos als auch zwei nach Porto Alegre. Während die Minister für Finanzen und Europa in den Alpen mit den liberalen Globalisierungsfreunden debattieren, werden ihre Kollegen für den Außenhandel und die solidarische Wirtschaft in den Subtropen bei deren Gegnern mitmischen.

Außenhandelsminister François Huwert will beim Weltsozialforum „kritisieren, dialogisieren und austauschen“. Der Sozialdemokrat, der sich in Paris für eine neue Verhandlungsrunde im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) einsetzt, will in Porto Alegre mit deren Kritikern diskutieren. „Seien wir nicht naiv“, sagt er. „Wenn wir Spielregeln für den internationalen Handel aufstellen wollen, brauchen wir die WTO.“ Für den grünen Staatssekretär für solidarische Wirtschaft, Guy Hascoët, der der Sozialministerin untersteht, gehören Treffen mit mehr oder weniger unabhängigen Organisationen auch in Paris ohnehin zum Alltag.

In Frankreich trat die rot-rosa-grüne Regierung vor dreieinhalb Jahren mit einem Programm an, das die liberale Wirtschaftspolitik und ganz besonders die Privatisierungen stoppen sollte. Seither hat sie mehr Staatsbetriebe privatisiert als sämtliche konservativen Vorgänger zusammen. Nur heißt das heute nicht mehr „Privatisierung“, sondern „Kapitalöffnung“. In Brüssel hatte die französische Regierung auch einer Haushaltspolitik zugestimmt, die zu tiefen Einschnitten in der Sozialversorgung geführt hat. Den Widersprüchen mit ihrem Programm begegnen die Rot-Rosa-Grünen zu Hause sprachtechnisch. Das sei eine „europäische Logik“ und „unvermeidbar“, begründen sie.

Dass er in Brasilien ausgebuht werden könnte, befürchtet Huwert nicht. „Es wird leidenschaftlich zugehen“, sagte er vor seiner Abreise. Er weiß auch, dass in Porto Alegre von radikalen Globalisierungsgegnern bis hin zu moderaten Globalisierungsreformern fast alles vertreten sein wird, was die „Zivilgesellschaft“ kennt. Das Gros der französischen Globalisierungskritiker steht politisch dem Regierungslager nahe. Dass ihre Themen die kurz bevorstehenden französischen Wahlkämpfe mitbestimmen werden, steht jetzt schon fest. Zusätzlich wird die französische Anwesenheit in Brasilien auch in den Ländern der Dritten Welt, besonders im frankophonen Afrika, als „Interessenvertretung“ wahrgenommen werden.

Der Spagat zwischen Globalisierern und Globalisierungskritikern ist der Pariser Regierung schon mehrfach gelungen. Etwa im Dezember 1999 in und vor Seattle, wo sie ihre Ablehnung des „multilateralen Handelsabkommens“ unter anderem mit den heimischen Protesten von Bauern, Gewerkschaften und Filmemachern begründen konnte. Zu Hause in Frankreich wirkte die den USA beigebrachte kleine „Niederlage“ bei der damaligen Version des Abkommens zusätzlich wie Balsam für das nationale Selbstbewusstsein. DOROTHEA HAHN