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: Strategie der Annäherung

Mit einem Blick aus dem Fenster des ehemaligen DDR-Staatsratsgebäudes beginnt heute die erste Sitzung der Kommission „Historische Mitte Berlin“. Dass dabei nostalgische Bilder aus der Erinnerung bemüht werden, ist evident. Angesichts der Brache und des maroden Palastes der Republik sind Träume für den Schlossplatz erlaubt. Auch Gegenträume: Solche, die nicht von einer Rekonstruktion des barocken Stadtschlosses erzählen, sondern von einem modernen Neubau oder einer Collage aus Alt und Neu.

Aber mehr noch als um eine Beschwörung architektonischer Bilder wird sich die international besetzte Kommission aus Ministern, Senatoren, Bauexperten, Historikern und Investoren um die Strategie eines Diskurses bemühen müssen. Denn dass die Mitte der Stadt wieder mit einem Bauwerk in der Größe und Kubatur des früheren Stadtschlosses gefasst werden muss, ist klar. Die Fürsprecher einer Schlossrekonstruktion – von Bundeskanzler Gerhard Schröder bis zur Grünen Antje Vollmer – oder die Partei der Modernisten – darunter der Präsident der Bundesarchitektenkammer Peter Conradi – sind sich in der Zuspitzung einer städtebaulichen Rekonstruktion einig.

Doch worüber diskutiert man dann, wenn der Bauwettbewerb zwischen Schlüter und zeitgenössischen Architekten längst hätte begonnen werden können? Will die Kommission keine Geisterdebatte führen, wird sie sich auch von zwei Paradigmen verabschieden müssen. Der Schlossplatz ist kein Ort mehr von nationaler Bedeutung, auf ihm wird kein Bau von geschichtspolitischer Relevanz entstehen.

Der Architekturkritiker der FAZ, Dieter Bartetzko, hatte einmal die konservativen Berliner Begehrlichkeiten, dort wieder ein Schloss entstehen zu lassen, mit dem Hinweis zurückgewiesen, die Mitte von Stadt und Staat gehörten nicht Herrn Diepgen sondern der ganzen Republik. Damit liegt er daneben. Weder war das alte Stadtschloss ein Symbol für das gesamte Reich – es bildete die Residnez der Preußen –, noch wird eine Rekonstruktion oder ein Neubau identifikatorischen Charakter für die Bundesrepublik haben können.

Wahrgenommen hat den Part nationaler Symbolik das Reichstagsgebäude. Anfangs eher skeptisch beäugt, nimmt es nach dem Umbau heute den ersten Rang repräsentativer Staatsarchitektur ein, vor der sich tagtäglich Besucher zu Tausenden drängen. Die gläserne, zugängliche Kuppel als Zeichen des Neubeginns, der spröde Plenarsaal als Symbol politischer Transparenz und Sachlichkeit sind zu Chiffren nationaler Identität und der Demokratie als Bauherr avanciert.

Es fehlt der Bundesregierung zugleich jene herrische Geste und die Begehrlichkeit, bauliche Zeugnisse als geschichtspolitische Symbole aus der Erde zu stampfen. Helmut Kohl hat noch Standort, Architektur, Größe und Ausstattung des Kanzleramtes festgelegt. Gerhard Schröder inszeniert sich medial und nicht in Stein. Sind „Grand projets“ wie Mitterrands Pariser Bauten von Schröder zu erwarten, wenn dieser schon zum Kanzleramts-Architekten Axel Schultes meinte: „Hätten Sie es nicht ne Nummer kleiner?“ Wohl kaum.

Wenn die Begriffe von Staat und Symbolik besetzt sind oder es an ihnen mangelt, kann die Arbeit der Kommission nicht um das Besondere, sondern muss um das Normale gehen. Das ist sicher das Schwerste. Keine vorgefertigten Bilder, sondern eine Strategie der Annäherung an den Schlossplatz, der ein Berliner Ort ist, wird dazu nötig sein. Die Fragen stehen vor den Anworten: Welche Rolle spielt der Platz als Schwerpunkt der Stadtmitte? Ist es ein Ort der Erinnerung, musealer Gegenwart oder Maßstab der Zukunft, und welcher, vielleicht einer europäischen? Und wer sind seine Bauherren und Nutzer, die res publica oder private Investoren? KOMMENTAR:
ROLF LAUTENSCHLÄGER