Neonazis: kehrt marsch

Proteste gegen Neonazisaufmarsch in Bramfeld. 2500 Polizisten im Einsatz. Tausende gedenken im Norden Holocaust  ■ Peter Müller und Andreas Speit

Im Norden haben am Samstag mehrere tausend Menschen den Opfern des Holocaust gedacht. Allein in Kiel demonstrierten 4000 SchülerInnen gegen rechte Gewalt, in Bramfeld protestierten 800 Menschen gegen einen ursprünglich für den Holocaustgedenktag geplanten Neonaziaufmarsch. Aber auch der von der Polizei auf Sonntag verlegte rechte Marsch kam trotz eines martialischen Polizeiaufgebots von 2500 BeamtInnen wegen Protesten nicht weit: Nach 300 Metern hieß es für die Neonazis um Christian Worch umkehren. Nach der vernebelten Kundgebung in Elmshorn die zweite Schlappe für die „Freien Nationalisten“ in diesem Jahr.

Bramfeld gestern Mittag: Der Stadtteil gleicht einer Festung. Panzer- und Gittersperren in den Seitenstraßen, Wasserwerfer und Uniformierte beherrschen die Szenerie auf der Hauptroute. Dennoch formiert sich allenorts Widerstand. Als der Treck der 120 Rechten Richtung Bramfelder Dorfplatz marschiert, schlagen die Glocken der Osterkirche Alarm. Die Gemeinde hat sich vor der Kirche versammlt und skandiert. „Nazis raus, Nazis raus!“ Vergebens versuchen kurz zuvor Polizeieinheiten mit Schlagstöcken Ansammlungen der über 400 GegendemonstrantInnen an den Sperren aufzulösen. 70 Personen werden dabei festgenommen.

Die Rechten kommen aber trotzdem nicht weit: An der Herthastraße können sie zwar eine Kundgebung durchführen, die für Außenstehende wegen der laustarken Sprechchöre nicht wahrnehmbar ist, doch dann ist Schluss. Die Polizei erteilt die Auflage, den Marsch abzubrechen. „Wir führen dann und wann eine Lagebratung durch und haben gesagt: So nicht!“ begründet Polizeisprecher Reinhard Fallak die Entscheidung. Während des Rückzuges schäumt Worch: „Es ist ihnen ja wohl klar, dass wir die Auflage einer gerichtlichen Prüfung unterziehen“, mosert er den Einsatzleiter an.

Bereits tags zuvor hatten BramfelderInnen mit einem Sternmarsch gegen einen rechten Marsch demonstriert, der den Spuren der SA-Horden von 1933 folgen sollte. Damals waren Sozialdemokraten und Kommunisten von Nazis aus ihren Häusern geholt und durch die Straßen Bramfelds getrieben worden.

Auf der Kundgebung forderte der Bramfelder Pastor Klaus Jähn zu mehr Toleranz auf und warnte davor, die Geschichte zu verdrängen. „Erinnern heißt eingreifen“, sagte Jähn. Er plädierte dafür, aus der Geschichte zu lernen und die Rechte für Ausländer zu stärken. Jähn: „Das ist ein konsequenter Weg gegen Rechtsextremismus.“ Für Jürgen Warncke vom Runden Tisch ist „die Zeit des Hingucken und sich zur Wehr setzen gekommen“. Im gleichen Kontext nannte es Geschichtslehrer Horst Bethke „einen Skandal, wenn der Innensenator den Neonazis den Sonntag für ihren Aufmarsch anbietet“.